Nordwest-Australien

Reiseberichte Nordwest-Australien

Aus dem Sanella-Album Australien

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Auf dieser Seite befindet sich der Teil Nordwestaustralien aus dem Sanella Album:

Australien Neuseeland

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Ich heiße Jim Bradley und bin 16 Jahre alt. Dieses hier ist mein Tagebuch. Als ich noch zur Schule ging, bekam ich immer eine 4 im Aufsatzschreiben. Da ordnete mein Vater eines Tages an, ich solle einmal wöchentlich aufschreiben, was ich so erlebte. Na - und daraus ist dann so nach und nach ein richtiges Tagebuch geworden. Mir machte die Sache Spaß und die Aufsatzzensuren wurden besser. Unsere Farm liegt in Kimberley, im Nordwesten Australiens, gut 150 Meilen von der Küste entfernt. Als mein Urgroßvater vor rund 100 Jahren nach Australien einwanderte, um Gold zu suchen, fand er zwar nur wenig Gold, aber viel, viel Land! Und deshalb begann er schließlich Rinder zu züchten. Er baute seine Station - so nennen wir hier die Farmen, die Vieh züchten - mitten hinein in das Land zwischen Panton, Ord und Margaret, weil es zwischen diesen Flüssen Weide und Wasser für das Vieh gab und vielleicht auch, weil ihm die weite Savanne so gut gefiel. Ich kann das gut verstehen, denn es ist wirklich ein wunderbares Land hier! Besonders im Frühjahr, wenn der Monsun den ersten Regen bringt! Das Gras schießt hoch, und leuchtend bunte Blumen ringeln sich mit ihren Stengeln und Trieben um das wuchernde Akaziengestrüpp.

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Das ist so schön, daß man es nicht beschreiben kann. Ich möchte jedenfalls an keiner anderen Stelle leben. Wenn es nur manchmal nicht so verflixt heiß wäre! Die Hitze kann uns manchmal schon zu schaffen machen! Dann flimmert die Luft wie ein lter Film im Kino, und die Augen brennen vom Staub und Schweiß. Das Gras wird gelb und braun, und die Flüsse trocknen aus. Ja - das ist hier in Australien anders als bei euch in Deutschland! Im Sommer kann man hier durch die meisten Flüsse hindurchgehen, ohne nasse Füße zu bekommen. Nein - ich schneide nicht auf! Fast alle Flüsse in Australien führen nur in der Regenzeit Wasser, dann aber häufig so viel, daß sie zu reißenden, gefährlichen Strömen werden. Nicht selten sind dann die Ufer weithin überschwemmt. In der übrigen Zeit des Jahres ist das Flußbett ausgetrocknet. Nur hier und da findet sich ein verschlammtes Wasserloch. Das Wichtigste hätte ich bald vergessen: die Station nannte mein Urgroßvater Green Gate, wegen des grünen Gatters, das den Weg zur Viehtränke verschloß. Green Gate heißt unsere Farm auch heute noch. Natürlich ist das Tor inzwischen ein paarmal neu gemacht worden. Mancher Stier hat schon versucht, die Querbalken auf seine Hörner zu nehmen. Und erst in der vergangenen Woche hat mein Bruder Steve - der ein netter Kerl, aber ein schlechter Autofahrer ist - beim Rückwärtsfahren mit dem Lastwagen den rechten Pfosten umgerissen. Aber die Hauptsache: das Tor steht noch wie vor100 Jahren, und grün ist es auch!

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Mit 7 704 000 qkm ist Australien der kleinste Erdteil der Welt. Er umfaßt acht Bundesstaaten mit der Bundeshauptstadt Canberra. Die Bevölkerung besteht zum größten Teil aus eingewanderten Engländern, während die Eingeborenenbevölkerung stetig abnimmt. Die Gesamteinwohnerzahl beträgt 7912000, das sind auf 10 qkm etwa 12 Menschen. Der größte Teil der Bevölkerung lebt jedoch in den Hauptstädten der Bundesstaaten. Von den Höhenzügen im Osten (Australische Alpen, Blaue Berge und Neu=England=Kette) haben nur die Australischen Alpen Gebirgscharakter. Der höchste Berg ist der Mount Townsend mit2240 m. Auch der größte Fluß dieses Erdteils, der Murray Darling, entspringt in den östlichen Bergen. Den Westen durchziehen riesige Wüsten. In der Trockenzeit bilden die abflußlosen Seen riesige Salzpfannen. Es herrscht hier ausgesprochenes Binnenlandklima mit sehr heißen Sommern. In der Tierwelt sind die Beuteltiere besonders zu erwähnen, von denen es 150 verschiedene Arten gibt. Durch seine riesigen Schafherden ist Australien das wichtigste Wolland der Erde. An Bodenschätzen findet man Gold, Silber, Blei, Kupfer, Zinn, Eisen und Steinkohle. Industrie und Verkehrsnetz sind wenig ausgebaut.

 Das große Treiben beginnt

Himmel - ist es wieder warm heute! Das Thermometer zeigt 42 Grad im Schatten. Steve, der mir gegenübersitzt, schlägt wild um sich. Die Moskitos haben es anscheinend heute abend ganz besonders auf ihn abgesehen. Der Schweiß rinnt ihm in hellen Bächen von der Stirn. Er büffelt in einem Lehrbuch für Tierheilkunde. Steve will Tierarzt werden und ist nur während der Semesterferien bei uns in Green Gate. Auch nachts wird es kaum kühler. Wir stellen unsere Betten auf die Veranda und schlafen im Freien, denn drinnen ist es nicht auszuhalten. Vier anstrengende Wochen liegen hinter mir! Zusammen mit Bill, der schon seit 20 Jahren auf unserer Station arbeitet, und zwei eingeborenen Treibern haben wir 642 Rinder nach Wyndham zum Schlachthaus getrieben. Und mit 644 zogen wir vor etwa einem Monat los - nur zwei Stiere gingen verloren! Der eine brach sich ein Bein, als er in ein Kaninchenloch trat. Wir mußten ihn erschießen. Der zweite war verendet, als wir morgens - nach der Rast an einem Wasserloch - weitertreiben wollten. Anscheinend war er im Sumpfstreifen von einer Schlange gebissen worden. Aber alles in allem: ein guter Erfolg, denn bei manchem Treiben sind uns schon 50 und mehr Rinder eingegangen.

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Das Viehtreiben ist ein schweres Stück Arbeit; aber es macht auch Spaß. Gegen Ende des Sommers, wenn die Regenzeit aufhört - Sommer ist in Australien von November bis April, wenn ihr in Deutschland eure Wintermäntel tragt und die Stuben heizt -, beginnt das große Treiben. 500 bis 1000 Rinder werden meistens von vier Cowboys begleitet, und wenn man so einen ganzen Tag im Sattel gesessen hat, spürt man abends, was man getan hat. Vorn geht ein Leitstier, und dann folgt die Herde meist weit auseinandergezogen. Wir umkreisen fortwährend die ganze Meute und passen auf, daß keine Tiere zurückbleiben oder sich seitlich verlieren. Es darf nicht zu langsam gehen, sonst dauert der Transport zu lange, aber auch nicht zu schnell, denn sonst magern die Tiere ab - und ein Rind wird nun einmal nach Gewicht bezahlt. 6 oder 7 Meilen, das sind rund 10 Kilometer, kommt man am Tag vorwärts. Das ist nun keine schnurgerade Straße quer durch die Savanne! Das sind überhaupt keine Straßen, sondern zum Teil sandige, zum Teil von Gras und Buschwerk überwucherte Driften, die von Hunderttausenden von Rinderhufen im Laufe der Jahre getrampelt wurden. Diese Wege winden sich von Wasserloch zu Wasserloch, denn Wasser und Weide sind das Wichtigste beim Treiben. Meistens erreichen wir abends eine Tränke. Oft aber muß das Vieh bis zum nächsten Abend auf Wasser warten, weil das eine oder andere Wasserloch eingetrocknet ist. Abends sind wir immer froh, daß wir den Tag hinter uns gebracht haben. Das Lagerfeuer knistert, das Wasser für den Tee summt, und der Rauch unserer Pfeifen steigt zu den Baumkronen empor, in denen die Kakadus kreischen. Die Rinder weiden ringsherum. Wenn ich mich auf den Rücken lege und zu den Sternen aufschaue, höre ich sie, wie sie das Gras abrupfen und sich ab und zu an einer Akazie scheuern. Aber noch ein Geräusch ist da - das ist Bills Pfeife. Sie gurgelt und pfeift wie eine verstopfte Pumpe.

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Landschaft in Nordwestaustralien

Endlich haben wir wieder eine Ecke erreicht, in der es Wasser und Bäume gibt. Zwischen den Eukalyptusbäumen steht auch einer jener komischen Flaschenbäume, die aussehen wie riesige Sodawasserflaschen. Im Norden Australiens gibt es Siedlungen, in denen Flaschenbäume an den Straßen angepflanzt werden wie bei uns die Linden.

Landschaft in Nordwestaustralien

Charakteristisch für den Norden Australiens sind die seltsam geformten Flaschenbäume aus der Gattung der Anonazeen. Sie tragen wohlschmeckende Früchte, die bis zu 2 Kilogramm schwer werden.

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Da - Schritte! Es knackt im Unterholz. Aus dem Dunkel kommen zwei Männer auf das Feuer zu. Es sind die beiden eingeborenen Treiber, die jetzt vier Stunden Ruhe haben. Nun beginnt unsere Nachtwache. Betty, meine Stute, wiehert leise, als ich ihr den Sattel auflege. Auch Bill reitet los. Wir umkreisen die Herde in entgegengesetzter Richtung, so daß wir uns alle halbe Stunde begegnen. Ich höre Bill schon immer einige Minuten früher, denn er singt wie ich beim Reiten. Das tun wir nicht, weil wir Angst haben, sondern weil es die Rinder beruhigt, wenn sie die Stimmen der Menschen hören. Bill kann man am Gesang sofort erkennen, denn er singt immer nur zwei Lieder abwechselnd, die mal vor 30 Jahren modern waren. Das eine ist furchtbar traurig und handelt von einem Buschräuber, der ein blondes Mädchen liebt, und das andere ist ein verrücktes Cowboylied, bei dem Bill sogar zu jodeln anfängt. Anscheinend singt er jetzt gerade das traurige, denn sonst würde ich ihn schon hören. Bill ist ein feiner Kerl. Er reitet wie der Teufel, und wenn er mit der Peitsche zuschlägt, dann liegt der Stier todsicher. Ach so, das muß ich euch erklären.

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Unsere Treiber hier in Australien heißen Stockmen, wegen der kurzen Peitsche, die sie immer am Sattel tragen. Sie hat nur einen kurzen Stiel, den Stock, aber eine 7 oder 8 Meter lange Schnur. Bricht nun einmal ein Stier aus der Herde aus, dann jagt der Stockmen in halsbrecherischem Tempo hinter ihm her und schlägt mit der Peitsche zu. Der schmale, lange Riemen wickelt sich blitzschnell um ein Bein, und nach einem kräftigen Ruck liegt das Tier am Boden. Aber das muß man können - und Bill kann es!

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Die Herde bricht aus

Nicht immer ging alles glatt auf unserem Wege nach Wyndham. Es war etwa eine Woche nach unserem Aufbruch. Die Sonne stach, es war glühend heiß, kein Windhauch zu spüren. "Paßt gut auf, Jungens!", warnt Bill. "Die Rinder sind unruhig. Hoffentlich kriegen sie keinen Koller!" Die beiden letzten Wasserlöcher, an denen wir das Vieh tränken wollten, waren ausgetrocknet. Staub und trockene Hitze liegen über dem kahlen Grasland. Bäume gibt es in dieser Ecke kaum, nur hier und da einen Eukalyptusbaum oder einen der komischen Flaschenbäume, die aussehen wie riesige Sodawasserflaschen. Aber beide geben kaum Schatten. Ab und zu fallen die Leittiere in Trab. Und auf einmal ist es passiert! Die ganze Herde beginnt zu galoppieren, schnell und immer schneller. Der Boden dröhnt, Staub wirbelt auf. Bill und einer der Eingeborenen - sie ritten ziemlich weit vorn - werden im Nu durch die rasenden, schnaubenden Rinder abgedrängt. Wir versuchen verzweifelt, die Herde wieder unter unsere Gewalt zu bekommen. Gut, daß wir Bill dabei haben!

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Stockmen beim Rindertreiben

Hunderttausende von Rinderhufen haben hier in der australischen Savanne die sandigen, zum Teil mit Gras und Buschwerk überwucherten Driften getrampelt. Tausende von Rinderherden nahmen hier ihren Weg von den Farmen in die Schlachthäuser der Küstenstädte. - Es ist ein schweres Stück Arbeit, das Rindertreiben. Doch die Cowboys sind mit Leib und Seele dabei, wenn sie auch oft länger als vier Wochen unterwegs sind und die Verantwortung tragen für die Hunderte von Rindern einer Herde, die vollzählig und auf keinen Fall abgemagert in Wyndham ankommen müssen; denn ein Rind wird nun einmal nach Gewicht bezahlt.

Stockmen beim Rindertreiben

Über die Entstehung des Namen "Stockmann" sind sich die Australier nicht ganz einig. Einige führen Ihn auf den kurzen "Stock" der Peitsche zurück, dei zur unentbehrlichen Ausrüstung der Viehtreiber gehört, andere auf das Wort "stock" im Sinne vom Viehbestand _ z.B. stockbreeder (Viehzüchter) oder stockyard (viehof).

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 Bill bringt mit der Peitsche einen Stier zu Fall

Da bricht - während wir die Herde durch die weite Savanne treiben - plötzlich ein Stier aus! In halsbrecherischem Tempo gt Bill hinter ihm her und schlägt ihm blitzschnell den langen, schmalen Lederriemen der Peitsche um die Beine. Ein kräftiger Ruck - und das Tier liegt am Boden! Aber das muß man können - und Bill kann es!

Bill bringt mit der Peitsche einen Stier zu Fall

Die Viehtreiber - die Stockmen - haben keinen leichten Beruf. Hunderte von Meilen weit müssen sie häufig das Vieh treiben. Herden von 10000 Rindern sind keine Seltenheit. Es muß schon Verlaß auf die Männer sein, denen man solch Werte anvertraut. - Fleisch und Häute gehören zu den wichtigsten Ausfuhrgütern Australiens.

.-Stichwörter: Wyndham, Eukalyptosbaum, Eukalyptusbäume, Flaschenbäume, Anonazeen, Pandanusbaum, Schraubenbaum

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Während er in jagendem Ritt versucht, wieder die Spitze zu erreichen, winkt er uns anderen mit der Hand. "Hierher! Alle hierher!" brüllt er aus Leibeskräften. Dabei steht er in den Steigbügeln! Wir reiten, was das Zeug hält, und in wenigen Augenblicken sind wir alle vier vorn. Dabei drücken wir - hintereinander reitend und laut schreiend - die Spitze der Herde allmählich zur Seite ab, immer weiter und weiter! Die Herde zieht sich auseinander, bildet einen Bogen, schließlich einen Halbkreis und dann - haben wir es geschafft! Die Leitstiere erreichen das Ende der Herde - die ganze Meute jagt in einem Kreis herum! Aus dem wilden Galopp fallen die Tiere in Trapp, und schließlich steht der ganze Haufen - keuchend, mit schäumenden Mäulern und nassen Flanken! Auch unsere Pferde und wir sind in Schweiß gebadet. Die Gesichter sind schmutzig und verklebt. Eine ganze Weile spricht keiner. Und dann beginnt Bill auf einmal sein verrücktes Cowboylied, und wir alle lachen und jodeln mit! Die Rinder gucken uns an und brummen ... Ja, das kann passieren, wenn das Vieh durstig ist und Wasser wittert. Die Rinder spüren sehr schnell, ob Wasser in der Nähe oder Regen zu erwarten ist. Und auch an diesem Tage behielten sie recht, denn einige Stunden später kam Wind auf, der Himmel bezog sich, und es begann wie mit Kübeln zu gießen - die letzten Atemzüge des Monsuns! Die Tränke, die wir am Abend erreichten, stand hoch voll Wasser, und ringsherum war der Boden schlammig weich. Manchmal treiben wir zwei, drei Tage durch flaches Savannenland. Dann geht es wieder durch dichtbewaldete Täler oder durch einen mit Geröll oder Wasser gefüllten Creek - das sind breite Bodenrinnen, in denen sich während der Regenzeit Wasser sammelt. In der übrigen Zeit des Jahres sind die Creeks ausgetrocknet. Je näher wir an Wyndham herankommen, um so dichter wird der Wald und um so höher das Gras. Von den Rindern sieht man nur die schaukelnden Rücken und die vorgereckten Köpfe. Die Sonne steht schon tief.

Es wird Zeit, das Lager aufzuschlagen. Bei einigen Pandanusbäumen halten wir die Pferde an. Wangoo, einer der beiden eingeborenen Treiber, sitzt ab. Hoppla! Er macht einen gewaltigen Luftsprung und beginnt wild zu fluchen und herumzutrampeln. Von seinem Kauderwelsch ist nicht viel zu verstehen; aber daß er wütend ist, können wir sehen. "Schlangen", brummt Bill und runzelt die Stirn. "Schlangen gibt's hier wie Sand am Meer. Und die meisten sind giftig. Aber es hat keinen Zweck, weiterzutreiben, denn das ist hier überall das gleiche." Sorgfältig suchen wir die Umgebung des Lagers ab. Drei ausgewachsene Schwarzschlangen, die sehr giftig sind, können wir erlegen. Ein paar andere huschen in das Akaziengestrüpp. Schließlich ist der Hügel unter den Bäumen abgesucht. Das Lagerfeuer brennt. Da packt mich plötzlich Bill an der Schulter und reißt mich zurück. Ich fliege zur Seite und will gerade anfangen zu schimpfen, als ich sehe, wie Bill mit dem Peitschenstock au den Boden hämmert. Eine 11/2 Meter lange Baumschlange krümmt sich in wilden Zuckungen. Ein Fußtritt befördert sie ins Feuer.

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Ich bin wohl doch etwas blaß geworden, denn Bill nickt mir lachend zu. "Ja, jetzt werden wir wohl auch noch die Bäume absuchen müssen", meint er. "Ich sah, wie das Biest sich von dem Ast abringelte, unter dem du standst. Und wenn du auf deinem Platz geblieben wärst, hättest du das liebe Tierchen auf den Kopf bekommen!" Der Feuerschein geistert über die hellen Wurzeln des Pandanus des Schraubenbaumes. Diese seltsamen Bäume sehen aus wie Palmen, die auf Stelzen stehen. Das sind Luftwurzeln, die bis zu einem Meter aus der Erde ragen. Er heißt Schraubenbaum, weil die großen schwertförmigen Blätter der Krone wie das Gewinde einer Schraube um den Stamm herumwachsen. Die Früchte kann man essen, und aus den Blättern flechten die Eingeborenen Matten. Einige Tage später erreichen wir Wyndham, eine kleine, trostlose Stadt an der Küste mit wenigen tausend Einwohnern. Die meisten davon sind Farbige, denn für Weiße ist es zu warm und zu feucht. Aber für die Viehzüchter Nord= und Westaustraliens ist Wyndham wichtig wegen seines modernen, nach amerikanischem Vorbild eingerichteten Schlachthauses. Auch unsere Rinder liefern wir dort ab.

Mangroven, Moskitos und Bills Schienbein

Wyndham liegt am äußersten Ende des Cambridge-Golfs, einer langgezogenen Bucht mit vielen kleinen mit Mangrovengestrüpp bewachsenen Inseln. Ich möchte gern einmal eine dieser lianenverfilzten Inseln kennenlernen; aber Bill rät ab. "Laß das sein, Jim", meint er "Du kommst da nicht an Land. Wenn dich nicht überhaupt vor« her die Moskitos und Krokodile auffressen!" Bill ist eine alte Unke. Jetzt erst recht - ich werde es ihm schon zeigen, daß ich dort drüben an Land komme! Vom Schlachthaus leihe ich mir ein kleines Motorboot und fahre los. Bill sieht mir vom Landungssteg aus nach. Plötzlich beginnt er mit den Armen in der Luft herumzufuchteln und zu rufen. Ich wende und fahre zurück. Bevor ich fragen kann, was los sei, spring er schon in das noch fahrende Boot. "Ich kann dich Lausejunge ja nicht allein mitten zwischen die Krokodile schwimmen lassen!" grunzt er nur und gurgelt mit der Pfeife.

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Lagerplatz unter einer Pandanusbaumgruppe

Sorgfältig suchen wir die Umgebung des Lagers ab. Drei ausgewachsene Schwarzschlangen, die sehr giftig sind, können wir erlegen. Ein paar andere huschen in das Akaziengestrüpp. Schließlich ist der Hügel unter den Bäumen abgesucht. Das Lagerfeuer brennt, und das Teewasser beginnt zu summen. Der Feuerschein geistert über die hellen Wurzeln des Pandanus, des Schraubenbaumes. Diese seltsamen Bäume mit den langen

Lagerplatz unter einer Pandanusbaumgruppe

Schraubenbäume - Familie der Pandanazeen - finden sich überall an tropischen Küsten Asiens, Afrikas und Australiens. Die großen schwertförmigen Blätter und ihre Fasern werden von den Eingeborenen zu Packmaterial und Flechtwerk verarbeitet.

Stichwörter: Cambridge-Golf, Mangrovensumpfwald, Stelzenwurzeln der Mangroven, Cambridge-Golf.-.

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Aber Bill behält Recht. Als wir uns mit abgestellten Motor den weißen Stelzenwurzeln der Mangroven nähern, gleiten zwei, drei Krokodile flink und fast lautlos aus dem Dickicht ins tiefe Wasser. Eine breite Schlammspur zeigt uns ihren Weg. Wir finden keine Stelle zum Landen. Aber - verflixt - ich will doch nun einmal an Land. In der Mitte der Insel können wir ein paar Schraubenbäume sehen. Also kann doch nicht die ganze Insel aus Mangrovensumpfwald bestehen. Vorsichtig vertäuen wir das Boot an den Luftwurzeln und kriechen in das Dickicht über uns hinein. Die Mangrovenwurzeln sind schlüpfrig und aalglatt. Bei Flut stehen sie unter Wasser, dann setzen sich schleimige Algen und Schnecken an ihnen fest. Eine Wolke von Moskitos schwärmt uns entgegen. Obwohl wir unsere Ärmel heruntergestreift haben, und obwohl Bills Pfeife qualmt wie eine alte Lokomotive, stechen uns die Viecher überall. Wir schnaufen und prusten, denn die Stechmücken kriechen in Nase und Mund, wenn wir Luft holen. Und mit den Händen können wir sie nicht abwehren, denn die brauchen wir um uns an den glatten Wurzeln zu halten. Wie kriechen und klettern etwa 15 bis 20 Meter weit in Richtung

Land - und immer noch haben wir das sumpfige, stinkende Brackwasser unter uns, in dem wir die Fische herumflitzen sehen. Ich bin froh, daß Bill nicht schimpfen kann, denn sowie er den Mund aufmacht, fliegt ihm ein Dutzend Moskitos hinein. Aber als er auf einer der Mangrovenwurzeln ausrutscht und bis zu den Knien in den Morast sinkt, ist es um seine Geduld geschehen. Er wendet sich um und klettert zum Boot zurück. Ich turne hinterher, froh aus diesem Brutkessel herauszukommen. Bill ist doch ein prächtiger Kerl! Er sagt kein Wort, als wir schließlich wieder mitten auf den Cambridge=Golf fahren, reibt er sich nur ab und zu sein zerschundenes Schienbein. Wir halten uns nicht mehr lange in Wyndham auf. Am nächsten Morgen satteln wir unsere Pferde und machen uns auf dem Heimweg nach Green Gate. Es geht jetzt erheblich schneller als mit den Rindern, Meistens reiten wir im Trab, hin und wieder im Schritt. Und liegt ein Tal vor uns, dann fangen die Pferde fast immer von allein an zu galoppieren. Häufig sehen wir Känguruhs. Hier in dieser Menschenleeren Gegend sind sie gar nicht scheu, aber dafür sehr neugierig. Sie hüpfen 20, 30 Meter weiter und schauen uns in aller Ruhe zu. Känguruhs sind seltsame Tiere, Ich mag sie irgendwie gern; sie sind drollig und vollkommen harmlos, wenn auch anscheinend ein bißchen dumm. Aber was uns Menschen dumm zu sein scheint, braucht deshalb nicht wirklich dumm zu sein. Es gibt viele verschiedene Arten und Größen von Känguruhs. Manche leben in der Savanne, andere im trockenen Busch und wieder andere sogar auf Bäumen und Felsen. Die kleinsten Arten sind so groß wie Ratten, das Risenkänguruh wird so groß wie ein Mann. Die Farbe ihres Felles ist verschieden; es paßt sich der Umgebung an, in der sie leben.. Känguruhs sind gesellige Tiere - sie fühlen sich anscheinend allein nicht wohl.

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Kletterei im Mangrovengestrüpp

Unser Boot haben wir an den Luftwurzeln der Mangroven vertäut, und vorsichtig kriechen wir in dem Gestrüpp herum. Eine Wolke von Moskitos schwärmt uns entgegen, und die Kletterei auf den aalglatten und schlüpfrigen Mangrovenwurzeln, an denen sich bei Flut Algen und Schnecken festsetzen, ist recht gefährlich. Ich bin gespannt, wer zuerst abgleiten wird und dann in das stinkende Brackwasser fällt.

Kletterei im Mangrovengestrüpp

An brandungslosen tropischen Küsten wachsen überall Mangroven, deren helle Stelzwurzeln bei Ebbe hoch aus dem Uferschlamm ragen. Ihr Rinde wird zum Gerben verwandt.

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Känguruhmutter

Ein Känguruhbaby ist aus dem Beutel seiner Mutter gekrochen. Es hüpft herum und knabbert an den Grasspitzen - bis Mutter Känguruh sich schließlich würdevoll erhebt, den Ausreißer mit den Vorderpfoten ergreift und in den Beutel zurücksteckt. Aber - schwupp! - hat es den Kopf wieder draußen und äugt neugierig umher.

Känguruhmutter

Die Känguruhs sind Springbeutler, kaninchen= bis mannsgroß, mit langen Hinterbeinen und kräftigem Stützschwanz. Es gibt verschiedene Arten, zum Beispiel Felsen', Baum', Riesenkänguruhs. Die Felle der kleineren Tiere sind sehr begehrt (Wallaby=Felle). Jährlich werden etwa 200 ooo Stück in den Handel gebracht.

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Känguruhfamilie

30 oder 40 Tiere in einer Herde sind keine Seltenheit. Eine solche Herde wird von einem "Old Man", einem alten Männchen, angeführt, dem die anderen Tiere blindlings folgen. Knapp 15 Meilen vor Green Gate machen wir unsere letzte Mittagsrast. Ich will mir meine vom Reiten steifgewordenen Beine vertreten und gehe auf eine Felsgruppe zu, um mir von dort oben die Gegend ein wenig anzuschauen. Plötzlich höre ich ein dumpfes Klopfen. Ich kenne dieses Geräusch. Es entsteht, wenn ein Känguruh mit den Hinterläufen den Boden trommelt. Vorsichtig klettere ich zwischen den Steinbrocken nach oben. Und auf einmal sehe ich eine Herde von etwa 20 Känguruhs nur ein Dutzend Schritte vor mir. Es ist warm und vollkommen windgeschützt hier. Zwei große ausgewachsene Känguruhs balgen sich - mit ihren kurzen Vorderpfoten geben sie sich richtige Boxstöße. Andere liegen im Sand lang ausgestreckt und heben nur mal ab und zu den Kopf, um im Liegen ein wenig Gras zu rupfen oder den beiden Schwergewichtlern zuzusehen.

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Ein winziges, erst einige Monate altes Känguruhbaby hat sich selbständig gemacht und ist aus dem Beutel seiner Mutter gekrochen. Es hüpft herum und knabbert an den Grasspitzen, bis sich Mutter schließlich würdevoll erhebt, den Ausreißer mit den Vorderpfoten ergreift und in den Beutel zurücksteckt. Aber - schwupp! - hat es den Kopf und die eine Pfote wieder draußen und äugt neugierig umher. In der Bauchfalte des Muttertieres befindet sich das Euter. Sobald ein Känguruh ein Junges geworfen hat, ergreift es vorsichtig das Baby und steckt es in den Beutel. Hier wird es ernährt, und hier bleibt es für etwa acht Monate. Gegen Ende dieser Zeit verläßt es schon mal den Beutel, kehrt aber sehr schnell dahin zurück, sobald es erschrickt oder Hunger spürt. Ein Geräusch! Der "Old Man", der ruhig im Hintergrund geäst hatte, hebt den Kopf. Es ist zum= auf=die=Bäume=Klettern! Ausgerechnet jetzt muß Bill jodeln! Und da ist es auch schon passiert - in großen Sprüngen jagt die ganze Herde davon! Dabei schnellen sich die Tiere mit den Hinterläufen vom Boden ab, der kräftige Schwanz dient dabei als Steuer. In wenigen Sekunden ist die ganze Gesellschaft verschwunden!

Känguruhjagd mit dem. Auto

Auf dem Weiterritt erzählt Bill von Känguruhjagden. Es ist ein beliebter Sport, Känguruhs vom Auto aus zu jagen. "Stell dir das aber nicht so einfach vor, denn es kommt darauf an, das Tier lebend zu fangen. Man kann das natürlich nur in Gebieten machen, die eben und ohne größere Hindernisse für das Auto sind. Vor ein paar Monaten, in der Nähe von Halls Creek, habe ich so eine Jagd mitgemacht. Das war eine tolle Sache!" Bill macht eine Pause und stopft sich umständlich die Pfeife. Immer, wenn er eine aufregende Geschichte erzählt, geht ihm die Pfeife aus.

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Und bevor sie nicht wieder brennt, redet er nicht weiter. "Am besten geht es, wenn man mit mehreren Autos jagt. Dann kann das Känguruh nicht so leicht zur Seite ausbrechen und auf unbefahrbares Gelände entkommen. Hat man aus einer Herde ein bestimmtes Tier ausgewählt, dann rast man mit dem Wagen hinterher. Man muß wirklich rasen, denn die Känguruhs sind sehr schnell. Auf der Flucht machen die größeren Tiere Sprünge von 8 bis 10 Meter Weite und 2 bis 3 Meter Höhe. Dabei haben sie den Vorteil, über Büsche und Geröll hinweghüpfen zu können, während wir den Wagen drum herumsteuern müssen. So eine Jagd kann 10 und 20 Kilometer weit gehen, bis man das Känguruh hat oder - bis es in einem Buschstreifen entkommt." "Ja, aber wie fängt man es denn? Hattet ihr Netze oder Leinen bei euch? Man kann doch schließlich ein Känguruh nicht mit der Hand greifen", unterbreche ich Bill neugierig. "Doch man kann", antwortet Bill und schnalzt mit der Zunge, denn Robby, sein Schimmel, ist in Schritt gefallen. "Du mußt versuchen, mit dem Wagen neben das Tier zu kommen und es während eines Sprunges an dem langen, dicken Schwanz zu packen.

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Äsende Känguruhfamilie

Plötzlich höre ich ein dumpfes Geräusch. Vorsichtig klettere ich zwischen den Steinbrocken nach oben. Und auf einmal sehe ich eine Herde von fast 20 Känguruhs nur ein Dutzend Schritte vor mir. Zwei große, ausgewachsene Känguruhs balgen sich - mit ihren kurzen Vorderpfoten geben sie sich richtige Boxstöße. Andere hüpfen herum und knabbern an den Grasspitzen.

Äsende Känguruhfamilie

Als James Cook sich an der Ostküste Australiens von den Eingeborenen ein Känguruh einhandelte, fragte er sie, wie das Tier hieße. Sie antworteten etwas, was Cook als "Känguruh" verstand und für den Namen des Tieres hielt. Die Antwort der Eingeborenen bedeutete aber nur: "Wir verstehen dich nicht".

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Das ist eine halsbrecherische Geschichte, denn das Gelände ist ja keine Asphaltstraße, sondern voller Grasbüschel und Löcher. Der Wagen hüpft wie ein störrischer Esel, und du hast alle Mühe, dich auf deinem Sitz zu halten ... Unser Geschwindigkeitsmesser zeigte 70 Stundenkilometer, als wir neben unserem Känguruh dahinsausten. Ein paarmal schon hatte mein Bekannter, der vorn neben dem Fahrer stand und sich mit einer Hand an der Windschutzscheibe festhielt, versucht, den Schwanz des Tieres zu ergreifen. Aber entweder kam dann gerade ein Hupfer, der ihn in die Luft greifen ließ, oder der Schwanz entglitt ihm wieder. Ein neuer Versuch! Der Fahrer gab Gas. Der Wagen geriet mit den linken beiden Rädern in eine Sandmulde und legte sich weit zur Seite über. Ein schneller Griff und ein kräftiger Ruck - und das Känguruh zappelte im Wagen! Es schlug wild mit den starken Hinterläufen um sich. Dabei rissen mir die scharfen Krallen ein paar hübsche Kratzer ins Fleisch. Ein paar Minuten später hatten wir den wütenden Kerl in der Gewalt und banden ihm die Hinterläufe zusammen." Mein Pferd scheut.

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Es bleibt stehen und schnaubt unruhig. Bills Schimmel geht sogar vorn hoch. Es ist nichts zu sehen. Aber wir hören ein scharfes Zischen, das viel lauter ist, als das Geräusch, das Schlangen machen, wenn sie angegriffen werden. Ich steige ab und entsichere vorsichtshalber meine Pistole. Langsam gehe ich auf den Geröllhaufen zu, hinter dem das Zischen zu hören ist. Da - wie angewurzelt bleibe ich stehen! Donnerwetter, der kann einem aber auch schon einen Schreck einjagen! Ein Waran, eine Rieseneidechse, streckt mir wütend fauchend seinen Kopf entgegen. Der Bursche ist gut 2 Meter lang und sieht aus wie ein alter vertrockneter Baumstamm. Sein langer, horniger Schwanz peitscht ärgerlich den Sand. Vorsichtig gehe ich rückwärts, bis ich mein Pferd erreiche. Die Warane, die so gefährlich aussehen - man könnte glauben, sie kämen aus einer anderen Welt -, sind eigentlich harmlose Tiere. Wenn sie aber gereizt werden, können sie dann auch recht unangenehm werden und beißen. Wir reiten weiter. Bill hat heute seinen guten Tag. Er hat seine Pfeife neu gestopft und erzählt: "Nicht alle Jagden sind so unblutig, denn die Känguruhs haben viele Feinde.

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Da ist zuerst einmal der Dingo, der Wildhund, der die Känguruhs verfolgt - wenn er auch einen ziemlichen Respekt vor den Krallen der älteren, großen Tiere hat. Und da sind vor allem die Menschen, die Eingeborenen und die Weißen. Die Eingeborenen jagen Känguruhs, weil sie Nahrung brauchen, die Weißen, weil die Tiere das Gras für die Schafe wegfressen und hier und da auch den mühsam angebauten Weizen. Und nicht zuletzt, weil das Fell des Känguruhs Geld bringt. Besonders das Fell des blauen Känguruhs ist sehr begehrt. Früher, als die Känguruhs auf den Weizenfeldern tatsächlich großen Schaden anrichteten, zahlte der Staat Abschußprämien. Es gab damals viele Leute, die die Känguruhjagd zu ihrem Beruf gemacht hatten.

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Känguruhjagd mit dem Auto

Känguruhjagden per Auto sind eine halsbrecherische Geschichte, denn das Gelände ist keine Asphaltstraße, sondern voller Grasbüschel und Löcher. Es kommt darauf an, mit den Wagen neben das Tier zu kommen und es während eines Sprunges an dem langen dicken Schwanz zu packen. So eine Jagd kann 10 bis 20 Kilometer weit gehen, bis man das Känguruh hat, oder - bis es in einem Buschstreifen entkommt.

Känguruhjagd mit dem Auto

Ein aufregender "Sport"! Es kommt darauf an, das Tier während eines Sprungs am Schwanz zu packen und in den Wagen zu zerren. Boshafte Leute behaupten, daß bei diesen Jagden bisher mehr Autos kaputtgefahren, als Känguruhs gefangen wurden.

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Jim und der Waran

Mein Pferd scheut. Es bleibt stehen und schnaubt unruhig. Wir hören ein scharfes Zischen. Vorsichtig gehe ich mit entsicherter Pistole auf den Geröllhaufen zu. Da - ein Waran, eine streckt mir wütend fauchend seinen Kopf entgegen!Rieseneidechse,

Jim und der Waran

Australien ist das Land der großen Echsen, von denen die Warane die bekanntesten sind. Man kennt 33 verschiedene Arten - u. a. den Bindenwaran, den Wüstenwaran, den Buntwaran -, die aber nicht alle in Australien vorkommen, sondern sich auf die ganze östliche Hälfte der Erde verteilen.

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Schon seit heute morgen reiten wir auf den Weidegründen von Green Gate. Wir halten uns an die kilometerlangen Zäune, die nur ab und zu von einem Gatter unterbrochen werden. Die Zäune einer Station gehören neben den Tränken und Wasserpumpen zum wichtigsten Kapital einer Viehstation. In Green Gate sind regelmäßig etwa 150 Meilen Zäune zu überwachen und in Ordnung zu halten. Das machen die "Boundary Riders", die Grenzreiter, die immer eine Drahtrolle und Zange am Sattel bei sich haben. Es gibt ein ziemliches Hallo, als wir am Abend in Green Gate eintreffen. Vater hatte ich schon von Wyndham aus angerufen. Er ist froh, daß alles so gut geklappt hat.

Der Doktor kommt mit dem Flugzeug

Die ganze Station ist in Aufregung, denn der alte Leslie ist krank. Seit zwei Tagen hat er Fieber und Schmerzen im Rücken. Immer wieder sitzt Mutter am Radio - wie alle größeren Stationen hat auch Green Gate eine eigene Sende= und Empfangsanlage - und holt sich vom Doktor Ratschlage. Aber in der vergangenen Nacht kletterte das Fieber so hoch, daß Mutter den Arzt bittet, zu kommen. Er sagt zu und verspricht, in ein, zwei Stunden bei uns zu sein. Über ganz Australien verteilt gibt es Sanitätsstationen mit Ärzten, Krankenschwestern und Operationsräumen. Die Ärzte im Innern sind mit Flugzeugen ausgerüstet, damit sie die zum Teil gewaltigen Entfernungen bis zum Patienten schnell zurücklegen können. Wie groß diese Entfernungen sind, wird euch klar, wenn ihr daran denkt, daß Australien der am dünnsten besiedelte Erdteil ist. In Nordaustralien leben nur drei Menschen auf einem Gebiet von 1000 Quadratkilometern. Auf der gleichen Fläche wohnen in Westdeutschland 194 000 Menschen!

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Könnt ihr euch nun vorstellen, daß der Doktor manchmal Hunderte von Meilen fliegen muß, um einem verunglückten Viehtreiber zu helfen? Ich sitze neben Leslie, kühle seine Stirn und gebe ihm zu trinken. Unruhig wirft er sich auf seinem Bett hin und her. Manchmal ist er wach und fragt nach Mutter oder Bill, der heute mit den Grenzreitern unterwegs ist, um Zäune zu flicken. Dann wieder phantasiert er und murmelt etwas von Goldgraben, Durst und Schießen. Leslie kam schon vor über 30 Jahren nach Green Gate, lange bevor ich geboren wurde. Vater fand ihn damals halbverdurstet neben einem Goldloch liegend - ausgeraubt und mit zwei Schüssen in der Schulter. 100 Meilen südlich von Green Gate wurde damals viel Gold gefunden. Manch einer zog los, um hier sein Glück zu machen. Aber auch viel Gesindel gab es, das die einsamen Goldgräber ausraubte und dann auf Nimmerwiedersehen im Busch verschwand.

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Dingos

Von verwilderten Haushunden stammen die australischen Dingos ab. Sie greifen nicht nur die Känguruhs an, sondern sind vor allen Dingen in den Schafzuchtgebieten zu einer großen Plage geworden. Auf ihren Abschuß hat die Regierung Belohnungen ausgesetzt.

Dingos

Dingos, die etwa schäferhundgroßen australischen Wildhunde, stammen von Haushunden ab, die im Laufe der Zeit verwilderten. Sie werden von den Schafzüchtern erbittert verfolgt, weil sie ihre Herden angreifen.

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Vater brachte Leslie mit nach Green Gate

Vater brachte Leslie mit nach Green Gate. Er wurde gesund gepflegt und blieb bei uns. Er reparierte Autos und Wasserpumpen, legte Mutter einen Gemüsegarten an (auf den beide sehr stolz sind!) und hat manche Rinderherde nach Wyndham und Derby getrieben. Alle auf der Station mögen ihn gern. Und da brummt schon das Flugzeug über der Station. Nach einer kleinen Schleife setzt der Doktor zur Landung an. Vater fährt mit dem Auto zur Maschine. Auch eine Krankenschwester ist dabei. Wenige Minuten später horcht der Arzt Leslie ab. "Ja", meint der Arzt, "es ist nichts Ernstes. Aber wir werden um eine Operation nicht herumkommen. Ich werde ihn mit in die Klinik nehmen." Auf einer Trage wird Leslie ins Flugzeug transportiert. Als die Maschine startet, stehen wir alle vor dem Wohnhaus. Wir winken und drücken die Daumen für unseren guten, alten Leslie und seine Gesundheit. Abends stellt Vater eine Radioverbindung mit dem Krankenhaus her. Die Operation ist schon gemacht, und Leslie fühlt sich wohl. Prima!

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Perlen und Seekühe

Ein alter Plan soll verwirklicht werden. Onkel John, der eine Schafstation am Ashburton in Nordwestaustralien hat, lud mich ein, ihn für ein paar Monate zu besuchen. Und das soll nun geschehen! Ich freue mich riesig! Der Nordwesten ist eines der unbekanntesten Gebiete Australiens. Dort leben noch Eingeborene, frei und unberührt von der Zivilisation. Und Onkel John ist ein netter, fideler Kerl! Vater nimmt mich mit dem Auto bis zum Flugplatz von Halls Creek mit. Und dann fliege ich über den südlichen Teil des Kimberleydistriktes nach Derby und - nach einer Zwischenlandung - weiter nach Broome, dem größten Perlfischerhafen Australiens. Ein paarmal überfliegen wir den Fitzroy, der jetzt - kurz nach der Regenzeit - viel Wasser führt. Die Rinderherden unter uns suchen das Weite, wenn wir dicht über ihnen dahinbrausen. Im Norden sehen wir dunstig die Bergketten der Kimberleys aufragen. Prächtige, aber unzugängliche Weidegebiete liegen dort. "Aber nicht nur Weidegebiete", erzählt der Ingenieur, der neben mir sitzt. "Am Yampi=Sound, nördlich von Derby, liegen gewaltige Eisenerzlager, die bisher nur zu einem kleinen Teil abgebaut wurden, weil Arbeitskräfte fehlen." Ja - Australien ist ein reiches Land! Und wer weiß, welche Bodenschätze man noch entdeckt, wenn das Land erst einmal richtig erschlossen wird. Broome ist eine der sonderbarsten Städte Australiens. In den Straßen trifft man ein verwirrend buntes Völkergemisch: Japaner, Chinesen, Malaien, Filipinos, Inder - und gelegentlich auch einmal einen Weißen; denn nur knapp ein Zehntel der rund 4000 Einwohner Broomes sind Weiße. Schon am Flugplatz steigt mir ein durchdringender Gestank in die Nase.

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Der Doktor kommt mit dem Flugzeug

Die ganze Station ist in Aufregung, der alte Leslie ist krank. Seit zwei Tagen hat er Fieber und Schmerzen im Rücken. Mutter hat den Doktor gebeten, nach Green Gate zu kommen, und schon nach wenigen Stunden landet sein Flugzeug. Aber es nützt alles nichts, Leslie muß ins Krankenhaus. Vorsichtig heben wir ihn in die Kabine.

Der Doktor kommt mit dem Flugzeug

Australien ist außerordentlich dünn besiedelt (Bevölkerung: 7,6 Millionen; Fläche: 7,7 Millionen Quadratkilometer). Während die Masse der Bevölkerung in den Städten der Ost- und Südostküste konzentriert ist, verteilt sich der Rest über das ganze gewaltige Gebiet. Da ist die ärztliche Betreuung der verstreutwohnenden Landbevölkerung schon ein Problem.

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Erste Hilfe im Busch

Ein Viehtreiber ist verunglückt! Der fliegende Doktor hilft. Die Ärzte im Innern Australiens sind häufig mit Flugzeugen ausgerüstet, damit sie den oft weiten Weg zum Patienten schnell zurücklegen können. Australien ist der am dünnsten besiedelte Erdteil - im Norden des Landes wohnen nur drei Menschen auf einem Gebiet von 1000 Quadratkilometern!

Erste Hilfe im Busch

Ganz Australien ist mit einem gutorganisierten Netz von Sanitätsstationen überzogen. Viele Sanitätsposten sind mit Flugzeugen ausgestattet, um auch einzelnen Farmen, die oft Hunderte von Kilometern von der nächsten größeren Ortschaft entfernt sind, ärztliche Hilfe bringen zu können.

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"Das ist das Muschelfleisch", lacht Mr. Williams, bei dem ich für ein paar Tage bleiben werde. "Es verwest am Strand. Uns interessieren nur die Perlen und - was vielleicht noch wichtiger ist - die Muschelschalen, das Perlmutt. Perlen sind nur in einigen Muscheln, aber Schalen haben sie alle. Schau dir mal die Straße an!" Donnerwetter - feine Leute sind das hier in Broome! Selbst die Straßen bestehen aus Perlmutt; und es fährt sich gut darauf! Am nächsten Morgen schwimme ich mit einem Perlenlugger - das sind starke Boote, die schon mal einen Wirbelsturm vertragen können - hinaus aufs Meer. Die Besatzung ist zusammengewürfelt: Der Steuermann ist ein Malaie, der Taucher Japaner und die übrigen Inder. Aber anscheinend verstehen sie sich gut. Wir machen gute Fahrt. Das Wasser rauscht am Bug, und die Segel sind prall gefüllt. Auf einmal ruft der Japaner dem Steuermann etwas zu, was ich nicht verstehe. Das Ruder wird herumgelegt. Wir bekommen jetzt den Wind genau von vorn. Die Segel flattern und werden schnell eingeholt. "Jetzt Taucher ins Wasser gehen!" erklärt mir der Malaie.

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Der Japaner hat schon mit Hilfe der anderen den Taucheranzug angelegt. Dann wird er in eine Art Stuhl gesetzt, an dem lange Seile befestigt sind. Ganz zuletzt bekommt er den Taucherhelm auf. Luftschlauch und Signalleine werden noch einmal sorgfältig geprüft, und dann gleitet der kleine Japaner langsam in die Tiefe. Luftblasen steigen auf. "Hier Wasser über 40 Meter tief. Taucher Muschelbänke suchen. Wir ihn schleppen langsam über Grund von Meer. Wenn Muscheln finden oder dickes Gefahr, er Signal geben. Tauchen viel gefährlich hier. Felsen und lebendiges Wasser!" Ich weiß nicht recht, was der Steuermann mit "lebendigem Wasser" meint. Aber da er beim Erzählen fürchterliche Grimassen schneidet, ist es sicher nichts Angenehmes. Der Lugger hat auch einen Motor, der jetzt angeworfen wird. In langsamer Fahrt geht es an der Küste entlang. Ab und zu wird an der Signalleine gezogen. Dann stoppen wir oder wechseln ein wenig den Kurs. Der Malaie erzählt von der Perlenfischerei - von den Gefahren und Lockungen. 1917 fand man die bisher größte Perle bei Broome. Sie hatte einen Wert von etwa 300000 Mark und war so groß wie ein Sperlingsei. - Früher wurden die Perlmuscheln von Australnegern heraufgeholt, ohne Hilfsmittel, aus 18 und 20 Meter Tiefe. Aber dann verdrängten die Japaner sie mit Taucheranzügen und seefesten Booten. Heute sind die meisten Taucher in Broome Japaner, die mit ihren modernen Ausrüstungen bis zu 50 Meter tief tauchen können. Hallo - was ist denn das? Neben unserem Boot steigt wie Dampf ein feiner Sprühregen auf. Ein eigenartiges, gurgelndes Geräusch ist zu hören. "Ein Haifisch!" schreie ich aufgeregt, als ich einen länglichen braunen Kopf im Wasser sehe. " Aber der Malaie lacht nur. "Nix Haifisch. Das sein Seekuh. Dort drüben Weideplatz."

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Seekühe

"Ein Haifisch", rief ich aufgeregt, als neben uns plötzlich ein länglicher Kopf auftauchte. Aber der Malaie lachte: "Nix Haifisch! Das sein Seekuh." Träge schaukelnd spielten sie neben unserem Boot. Die schwerfälligen Tiere sind selten geworden; denn sie können sich kaum gegen ihre Feinde, die Menschen und Haie,

wehren.

Seekühe

Der australische Dugong ist ein Mitglied der Familie der Seekühe, die zu den Huftieren gehören. Die Seekühe leben gesellig oder paarweise an seichten Meeresküsten oder in den Mündungen tropischer Flüsse. Sie ernähren sich von Wasserpflanzen.

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Perlentaucher

Es gibt wohl kaum einen gefährlicheren Beruf als den der Perlenfischer. Gerade die Gewässer vor Broome sind wegen ihrer vielen und heimtückischen Wirbel - dem "lebendigen Wasser" - berüchtigt. Immer wieder kommt es vor, daß Luftschläuche oder Halteseile an Felskanten oder Wrackteilen hängenbleiben und reißen, und daß Taucher bei zu schnellem Auftauchen schwere Unfälle erleiden.

Perlentaucher

Perlenfischerei wurde ursprünglich nur von den Eingeborenen betrieben. Heute drängen die Weißen und die Japaner mit modernen Tauchgeräten die primitive und gefährliche Sammelmethode der Eingeborenen immer mehr zurück.

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Und er zeigt auf die Küste, die hier nur einige Meilen von uns entfernt ist. Da taucht auch noch ein zweiter Kopf auf, und dann folgt ein langer, etwas rundlicher Körper. Mit trägen, schaukelnden Bewegungen spielen die Tiere neben unserem Boot. Als der Steuermann eine leere Konservendose nach ihnen wirft, verschwinden sie in die Tiefe. "Seekuh nix gefährlich. Nur spielen, schlafen und fressen", sagt der Malaie. "Leben dicht bei Küste, fressen Seegras und Algen." Richtig - da fällt mir ein, daß ich in der Schule etwas von Seekühen gehört habe. Sie sind keine Fische, sondern Säugetiere wie die Wale und Robben. Und weil sich die schwerfälligen Tiere kaum gegen ihre Feinde, die Menschen und die Haie, wehren können, sind sie sehr selten geworden. Übrigens: Hörner haben sie nicht - und melken kann man Seekühe auch nicht! Plötzlich zieht der Taucher stark an der Signalleine. Immer und immer wieder. Wir halten sofort an. Die Inder gestikulieren und schnattern aufgeregt. Irgend etwas ist passiert. Schnell werden die Seile, an denen der Japaner hängt, eingeholt.

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Das Wasser bewegt sich unruhig - es sieht aus, als koche es tief unten. Milliarden kleine Luftbläschen werden an die Oberfläche gestrudelt. Im grünen Wasser unter uns können wir jetzt schon die Umrisse des Tauchers erkennen. Seltsam - er schwankt heftig hin und her, dreht sich linksherum, rechtsherum! Fieberhaft öffnen wir den Helm, als wir den Japaner endlich an Bord haben. Der Mann ist ohnmächtig. Er blutet aus Mund und Nase. "Zu schnell hochgezogen", sagt der Malaie, "dann Mann bluten. Unten Wasserdruck groß, oben klein. Wenn schnell hochkommen, platzen Adern. Wir Taucher immer ganz langsam steigen lassen. Nur wenn Gefahr - dann schnell!" Nach einer kleinen Weile schlägt der Japaner die Augen auf.

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Dann berichtet er, daß er unten eine lange Muschelbank gefunden habe. Plötzlich sei das "lebendige Wasser" gekommen und hätte ihn hin und her geschleudert. Auf einmal hätte er keine Luft mehr bekommen und mit letzter Kraft die Signalleine gezogen. Es gibt wohl kaum einen gefährlicheren Beruf als den der Perlenfischer. Gerade die Gewässer vor Broome sind wegen ihrer vielen und heimtückischen Wasserwirbel - dem "lebendigen Wasser" - berüchtigt. Immer wieder kommt es vor, daß Luftschläuche oder Halteseile an Felskanten oder Wrackteilen hängenbleiben und reißen und daß Taucher bei zu schnellem Auftauchen schwere Unfälle erleiden. Wie viele Leinen wurden schon von den Luggern eingeholt, an denen kein Taucher mehr hing. Aber immer wieder gehen die Männer hinunter in das grüne Dämmerlicht der Tiefe, weil jeder von ihnen hofft, eines Tages auch eine Perle, groß wie ein Sperlingsei, mit heraufzubringen. Von Broome fahre ich mit einem Küstenfrachter nach Port Hedland weiter. Die Küste ist flach und trostlos hier. Sand, Sand und wieder Sand!

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Malaien beim Sortieren von Muschelschalen

Broome ist das Zentrum der australischen Perlenfischerei. Aber nicht nur die Perlen interessieren die Menschen - fast noch wichtiger sind die Muschelschalen, das Perlmutt. "Perlen sind nur in einigen Muscheln, aber Schalen haben sie alle gelacht Mr. Williams, mit dessen Lugger wir zum Muschelfischen hinaus aufs Meer

Malaien beim Sortieren von Muschelschalen

Die inneren Schichten der Perlmuscheln nennt man Perlmutt, Es besteht aus vielen, flach aufeinanderliegenden Kalkblättchen, die das Licht brechen und dadurch dem Perlmutt den bunten Schimmer geben. Bei der Verarbeitung wird die Muschel zersägt und die äußere Schale abgespalten. Das Perlmutt wird für Schmuck, Knöpfe und Einlegearbeiten verwandt.

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Eingeborene am Auto

Mühsam hatten wir uns den steilen Abhang hinaufgekämpft, zwei Stunden brauchten wir dazu. Da stand plötzlich ein Eingeborener vor uns. Und als ein zweiter und dritter auftauchte, hielten wir und ließen sie an den Wagen herankommen. Dann geschah etwas, was wir nicht erwartet hatten, die Eingeborenen sprachen deutsch, kein gutes Deutsch - aber immerhin!

Eingeborene am Auto

Heute leben noch rund 60 000 Eingeborene in Australien, größtenteils in Schutzgebieten. Sie bilden die australische Rasse. Im Nordwesten sind malayische, im Nordosten melanesische Einflüsse erkennbar.

.Stichwörter: Marble Bar - dem heißesten Ort Australiens, Roy Hill, Marble Bar - dem heißesten Ort Australiens, Roy Hill

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Kein Wunder, daß die Portugiesen und Holländer, als sie die australische Küste hier zum erstenmal zu Gesicht bekamen - es war im 16. und 17. Jahrhundert -, schnell wieder verschwanden. In Port Hedland klettere ich wieder in ein Flugzeug und fliege über Marble Bar - dem heißesten Ort Australiens, 6o° im Schatten! - nach Roy Hill. Und hier nimmt mich Onkel John in Empfang. Er ist völlig unverändert - immer noch hat er seine Glatze, immer noch ist er dick und rund, und immer noch trägt er verblichene, kurze Hosen. Neben Onkel John steht ein langer blonder Junge mit tausend Sommersprossen im Gesicht. Er spricht ein lustiges Englisch, das ich erst verstehe, als ich mich ein wenig daran gewöhnt habe. "Das ist Klaus. Klaus Werneburg aus Deutschland", stellt Onkel John vor. "Klaus ist erst seit vier Wochen in Australien. Er will Schafzüchter werden. Und das dauert gar nicht mehr lange, dann hat er seine eigene Station. Ein wollenes Hemd kann er schon von einem seidenen Halstuch unterscheiden!" Lachend fahren wir los. Das Land ist kahl und steinig hier. Unser Auto wirbelt dicke Staubwolken auf.

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Die Eingeborenen sprechen deutsch

Gut zwei Stunden sind wir schon unterwegs. Mühsam, im zweiten Gang, geht es eine steile Steigung hinauf. Plötzlich - wie aus dem Boden gewachsen - steht ein nackter Ein» geborener am Weg und winkt. Ein zweiter und dritter tauchen auf. Es sind kleine Kerle, dunkelbraun und mit wildem Haarschopf. "Ganz ruhig sein", sagt Onkel John leise. "Keine hastigen Bewegungen, sonst laufen sie fort. Anscheinend wollen sie etwas von uns. Na, woll'n mal sehn!" Wir halten an. Onkel John sagt etwas. Ich verstehe kein Wort. Die Eingeborenen aber anscheinend auch nicht, denn sie schauen sich an, grinsen und machen etwas hilflose Handbewegungen. Dann spricht einer von ihnen - er hat einen lockigen, schwarzen Spitzbart. Immer wieder deutet er auf einen seiner braunen Kollegen, der seine Hände vorsichtig wie eine Muschel um etwas gelegt hat, das ich nicht erkennen kann. Anscheinend bewegt es sich. Onkel John schüttelt den Kopf. Die sprechen einen Dialekt, den ich nicht kenne. Ich weiß nicht, was sie wollen."

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Klaus hat genau zugehört. Auf einmal sagt er: "Ich glaube ich habe einen Sonnenstich. Die sprechen deutsch. Kein gutes Deutsch, aber immer hin einige Worte. Alles andere verstehe ich auch nicht." Er beginnt mit den Eingeborenen! zu radebrechen. Und schließlich! löst sich das Geheimnis. Voll ein paar Monaten ist hier in dieser Gegend eine deutsche! Expedition gewesen - die erste! nach dem Kriege -, hat das Land durchforscht und seltene! Tiere und Pflanzen untersucht. Mit dieser sind unsere drei Eingeborenen bekannt geworden. Anscheinend haben sie auch Tiere für die deutschen Forscher gefangen, denn sie haben einen! kleinen Honigbeutler bei sich, den sie uns verkaufen wollen.

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Harte Arbeit: Schafschur

Als wir auf der Station eintreffen, wimmelt es hier von Schafen. Die Luft in den Schuppen ist kaum zu ertragen, es ist heiß wie im Brutofen; das Blöken der vielen Schafe und das Klappern der Schermesser machen einen Höllenlärm. Es ist Schafschur - die Erntezeit der Schafzüchter. In 3 bis 4 Minuten wird ein Schaf geschoren. Dann wird die Wolle in Ballen gepreßt und sofort zur Weiterverladung an die Küste gebracht.

Harte Arbeit: Schafschur

Der wichtigste Wirtschaftszweig Australiens ist die Schafzucht. Australien ist das bedeutendste Wolland der Erde. 1948 wurden hier 4 717 000 Doppelzentner Wolle erzeugt, das waren etwa 27% der Weltproduktion. Argentinien, das an zweiter Stelle folgt, erreichte nur 15%.

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Honigbeutler

Etwa 15 cm lang werden die kleinen Honigbeutler. Sie sehen aus wie eine Maus. Auf dem Rücken haben sie lange dunkle Streifen, die auch über den Kopf bis zu dem langen, spitzen Rüssel laufen. Mit der leimigen, schmalen Zunge kann der Honigbeutler - oder Rüsselbeutler, wie er auch heißt - tief in die Blütenkelche hineinlangen, um Honig zu schlecken oder Insekten zu fangen.

Honigbeutler

Der außerordentlich seltene Rüsselbeutler gehört zur Familie der Kletterbeutler. Soweit bekannt, wurde er noch niemals lebend nach Europa gebracht. Der kleine Honig= und Insektenfresser ist im allgemeinen im Südwesten Australiens zu Hause, kommt aber auch gelegentlich weiter nördlich vor.

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Vorsichtig nimmt Klaus das unruhige Tierchen in seine Hände. Es ist nur etwa 15 Zentimeter lang und sieht aus wie eine Maus. Auf dem Rücken hat es einen langen dunklen Streifen, der auch über den Kopf bis zu dem langen, spitzen Rüssel läuft. Mit der leimigen, schmalen Zunge kann der Honigbeutler - oder Rüsselbeutler, wie er auch heißt - tief in Blütenkelche hineinlangen, um Honig zu schlecken oder Insekten zu fangen. Die kleinen Tierchen leben auf Bäumen und Sträuchern und sind sehr, sehr selten. Onkel John gibt den dreien eine Wolldecke, die hinten im Wagen lag. Sie sind anscheinend sehr einverstanden mit dem Tausch, denn sie nicken und lachen und streichen immer wieder mit den Händen über das weiche Gewebe. Als wir weiterfahren, winken sie, solange wir sie sehen können. Am späten Nachmittag treffen wir auf der Station ein. Donnerwetter - ist das ein Leben! Es wimmelt von Schafen - dicken, wolligen, bei denen man kaum die Beine sieht, und dünnen, nackten, die etwas verdutzt herumlaufen.

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Es ist Schafschur - die Erntezeit der Schaf Züchter! In einem Schuppen - abseits von den Wohngebäuden - werden die Schafe geschoren. Die Luft hier drin ist kaum zu ertragen, es ist heiß wie in einem Brutofen. Es stinkt nach dem Schweiß und Kot der Tiere, und das Blöken der Schafe und Klappern der Schermesser machen einen Höllenlärm. Die Schermesser werden elektrisch angetrieben. Trotzdem ist das Scheren keine leichte Arbeit, denn die Schafe stehen nicht ruhig, sondern versuchen immer wieder, nach vorn oder hinten auszubrechen. Da muß man sie schon ordentlich packen und zwischen die Knie klemmen, um sie zu halten. Schnell gleitet das Messer um den Körper des Tieres herum. Und dann steht auf einmal auf der einen Seite ein dünnes, "ausgezogenes" Schaf, und auf der anderen Seite liegt die in einem Stück zusammenhängende Wolle, das Vlies. In drei bis vier Minuten ist ein Schaf geschoren. Die Wolle wird sortiert, in Ballen gepreßt und möglichst schnell mit Lastwagen oder großen, hochrädrigen Karren, die von 20 Pferden gezogen werden, an die Küste gebracht. Denn Wolle ist kostbar, ein Wagen, hoch beladen mit Wollballen, kostet ein kleines Vermögen. "Aber ihr habt hier ja viel mehr Leute auf der Station, als wir in "Green Gate!" stelle ich verwundert fest, denn ich habe allein zehn Männer beim Scheren gezählt. "Nein", klärt mich Onkel John auf. "Die Scherer sind Spezialisten und kommen nur zur Schur hierher. Wenn sie bei uns fertig sind, gehen sie zur nächsten Station. Richtiger ist, sie fahren weiter, denn die meisten von ihnen haben eigene Autos. Und da nicht auf allen Stationen gleichzeitig geschoren wird, sondern die Schur sich auf das ganze Jahr verteilt, haben sie auch das ganze Jahr hindurch Arbeit." Spät am Abend kommen wir endlich ins Bett. Ich liege noch eine ganze Weile wach, weil die oben auf dem Dach lärmen, , die es überall in Westaustralien gibt. Am Morgen reiten Klaus und ich nach Sunny Lake, einer kleinen Schafstation, die mit zu Onkel Johns Besitz gehört. Klaus' Vater, der schon vor einem Jahr nach Australien kam und jetzt seinen Jungen aus Deutschland nachkommen ließ, betreut Sunny Lake und seine 8000 Schafe.

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Als wir uns - nach Stunden scharfen Reitens - der Station nähern, kommt uns zuerst schwacher, dann immer stärkerer Brandgeruch entgegen. Wir treiben die Pferde an und jagen durch den trockenen Busch, so schnell wir können. Klaus ist blaß und sagt kein Wort. Schon manche Station ist bei großen Buschfeuern niedergebrannt.

Der Busch brennt

Gott sei Dank - da liegen die Häuser und Schuppen von Sunny Lake unversehrt vor uns! Aber wir treffen keinen Menschen, anscheinend sind sie alle draußen, um die Schafe in Sicherheit zu bringen. In mörderischem Ritt jagen wir den Rauchschwaden entgegen. Und da sehen wir auch schon die Feuerwand vor uns. Schafe kommen uns entgegen - erst einzelne Tiere, ängstlich blökend, und dann in dichten Scharen, rennend und sich gegenseitig stoßend. Dahinter - hin und her jagend - einige Reiter mit rauchgeschwärzten Gesichtern. Und plötzlich sehen wir auch Klaus' Vater und die anderen Männer. Sie haben einen Lastwagen voll mit Wasserkanistern bei sich.

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Im Kampf gegen das Buschfeuer

In mörderischem Ritt jagen wir den Rauchschwaden entgegen. Und da sehen wir auch schon die Feuerwand vor uns! Schafe kommen uns entgegengerannt, ängstlich blökend und sich gegenseitig stoßend. - Die Männer kämpfen verzweifelt gegen die Glut - Meter für Meter dringen sie gegen das Feuer vor. Augenbrauen und Wimpern sind versengt, und ihre Hemden haben große Brandlöcher.

Im Kampf gegen das Buschfeuer

Buschfeuer gehören in Australien zur Tagesordnung. Auf einem einzigen Flug über ein paar hundert Kilometer kann man häufig ein Dutzend Busch= und Grasfeuer beobachten. Es ist kein Zufall, daß die meisten Tabakpfeifen in Australien kleine Metalldeckel haben, um Funkenflug zu verhindern.

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Mit Axthieben werden die Kanister geöffnet und dann die großen Feuerpatschen hineingetaucht, mit denen das weiterfressende Feuer gestoppt werden soll. Zwei, drei Männer sind dabei, eine kleine Motorpumpe in Gang zu setzen. Klaus' Vater ruft uns irgend etwas zu. Dann gießt er uns einen Kanister Wasser über die Köpfe, damit unsere Kleidung nicht so schnell Funken fängt. Zum Glück ist es fast windstill. Meter für Meter dringen wir gegen das Feuer vor. Die ganze Nacht hindurch kämpfen wir verzweifelt gegen die Glut. Unsere Augenbrauen und Wimpern sind versengt, und unsere Hemden haben große Brandlöcher. Endlich - gegen Morgen - haben wir das Feuer unter unsere Kontrolle gebracht. Drei Männer bleiben als Brandwache zurück. Schon auf dem Lastwagen, der uns zur Station zurückbringt, schlafe ich ein. Als ich 24 Stunden später aufwache, sitzt Klaus neben meinem Bett und lacht: "Du hast aber einen gesunden Schlaf! Nun frühstücke man erst mal.

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Sicher hast du einen Bärenhunger!" Da kommt auch schon Vater Werneburg und drückt mir die Hand. "Ihr kamt gerade zur rechten Zeit. Na, Hauptsache, daß alle Schafe gerettet sind!" Vater Werneburg ist ein großer, kräftiger Mann, mit hellen blauen Augen und dichtem grauem Haar. Er gefällt mir genau so gut wie sein Sohn Klaus. Später zeigt er uns die Station. Zu dritt reiten wir über flaches sandiges Land, in dem nur vereinzelte Grasbüschel stehen. Von den Tausenden von Schafen sehen wir kaum etwas, weil sie sich über ein riesiges Weidegebiet verteilen. Dann kommen wir in dichtes, fast undurchdringliches Akaziengestrüpp. Vater Werneburg reitet vorn, denn er kennt die Stellen, an denen man durchkommt. Bunte Sittiche lärmen in den Zweigen, und Eidechsen huschen über den Weg. Plötzlich winkt Vater Werneburg uns heran. "Wir sind hier nicht mehr auf dem Gebiet von Sunny Lake. Hier beginnt das Jagdgebiet der! Eingeborenen, die weiter im Innern leben. Vielleicht haben wir Glück und sehen einen." Aber so sehr Klaus und ich auch rechts und links in den Busch starren - wir sehen niemanden. Doch - da vorn, auf der hohen Akazie, da hockt doch ein Mensch und starrt zu uns herüber! Seltsam - ein paar Vögel sitzen um ihn herum. Einer sogar auf seiner Schulter. Der Mann rührt sich nicht. Er versucht auch nicht zu fliehen. "Der kann auch nicht mehr weg", sagt Vater Werneburg! leise. "Der ist tot. Die Eingeborenen haben ihn da oben in den Baum gesetzt, damit er verwest. Seht ihr? Sie haben ihm ein richtiges Nest gebaut. Wir müssen vorsichtig sein, denn die Verwandten des Toten besuchen das Grab häufig.

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Baumgrab eines Eingeborenen

Als wir in das Gebiet von Sunny Lake gelangen, sehen wir vor uns auf dem Baum einen Eingeborenen hocken. Er ist tot. Seine Stammesangehörigen haben ihn auf das Gerüst in der Baumkrone gelegt, damit er dort verwest. Etwas unheimlich ist uns bei diesem Anblick der seltsamen Bestattung zumute. Wir entfernen uns schnell, denn die Verwandten des Toten kommen oft zu dessen Grab, und wir wissen nicht recht, was sie wohl zu unserem Besuch sagen würden.

Baumgrab eines Eingeborenen

Die Bestattungsbräuche sind bei den Ureinwohnern Australiens sehr verschieden. Häufig werden die Toten in Hockerstellung begraben. Im Nordwesten, wo der Boden felsig oder von der Sonne steinhart gebrannt ist, legt man die Toten in Höhlen oder auf Gerüste, die in Baumkronen errichtet werden. Die Knochen sammelt man später und begräbt sie.

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Nacht in Australien

Es geht nach Hause. Wir haben uns ziemlich weit von der Station entfernt und müssen scharf reiten, um nicht zu spät nach Sunny Lake zu kommen.- Es ist dunkel geworden und kühl. Am Himmel strahlt das Kreuz des Südens. Nur das Klopfen der Pferdehufe unterbricht die Stille der Nacht.

Nacht in Australien

Das Kreuz des Südens, das bekannte Sternbild des südlichen Himmels, wird von vier Sternen gebildet. Es ist nur sichtbar in Ländern südlich des 26. nördlichen Breitengrades. Bei allen Völkern der südlichen Halbkugel ist dieses Sternbild Gegenstand unzähliger Legenden geworden. 

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Sie glauben, der Geist des Mörders besuche das Grab und hinterließe manchmal Spuren, an denen man ihn erkennen könne. Und dann müsse der Tote gerächt werden!" Den Weißen gehen die Eingeborenen aus dem Weg. Und sie haben auch in den letzten zweihundert Jahren keine guten Erfahrungen mit ihnen gemacht. Die Weißen nahmen ihnen die besten Wasserlöcher und Jagdgebiete weg, und wenn sich die Eingeborenen wehrten, dann wurden sie erbarmungslos niedergemacht. Inzwischen ist das anders geworden, denn die Australneger haben Gebiete zugewiesen bekommen, in denen die Weißen nicht jagen und auch kein Vieh halten dürfen. Aber die Eingeborenen sind mißtrauisch geblieben. Wir reiten heim. Wir haben uns ziemlich weit von der Station entfernt und müssen scharf reiten, um nicht zu spät in der Nacht nach Hause zu kommen. - Es ist schon dunkel geworden und auch etwas kühler. Am Himmel strahlt das Kreuz des Südens. Vater Werneburg erzählt uns die Sage vom Kreuz des Südens. Er hat sie von einem alten Eingeborenen gehört, den er mal bei seinen Streifzügen ins Innere traf.

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Wie das Kreuz des Südens entstand...

"Bei der Erschaffung der Erde schuf Gott zwei Männer und eine Frau und befahl ihnen, sich von Pflanzen zu ernähren. Aber eine große Dürre kam und alle Pflanzen verdorrten. Da erlegten sie ein Känguruh und aßen es. Aber einer der beiden Männer weigerte sich von dem Fleisch zu essen und ging fort. Hunger und Durst schwächte ihn, und schließlich brach er unter einem großen Eukalyptusbaum zusammen. Da öffnete sich der Baum, und heraus kam ein Geist mit glühenden Augen. Der ergriff den Mann und nahm ihn mit in den Baum hinein. Und dann fuhr der Baum mit dem Geist und dem geretteten Mann hinauf in den Himmel, verfolgt von den wütenden Kakadus, die ihren Baum behalten wollten. Aber der Baum flog schneller und verschwand in den Wolken! Und seitdem schauen die glühenden Augen des Geistes und des Mannes, der kein Känguruhfleisch essen wollte, als Kreuz des Südens vom Himmel herab. Und die beiden weißen Kakadus - die schließlich doch noch ihr Ziel erreichten - sitzen zu beiden Seiten, als Arme des Kreuzes!" Vater Werneburg hat sein Pferd angehalten. Vor uns liegt ein Wasserloch mit hohen Bäumen und dichtem Gras. Anscheinend hat Klaus' Vater etwas bemerkt, denn er legt seine Hände an den Mund und ruft etwas in die Dunkelheit hinein. Aus dem Schatten löst sich langsam ein Mensch - ein kleiner, schlanker Eingeborener. Er trägt einen Speer in der einen und einen Bumerang in der anderen Hand. Vater Werneburg steigt von seinem Pferd und unterhält sich mit dem Mann, der gar nicht aussieht wie ein Neger - nur die Nasenflügel sind sehr breit. Anscheinend kennen sich die beiden, denn der Eingeborene ist gar nicht scheu. Er lacht und schaut zu uns herüber. Auch wir sitzen ab. Vater Werneburg nennt unsere Namen. Immer wieder hören wir "Korrobori", und dann deutet Vater Werneburg immer auf Klaus und mich. Der Eingeborene scheint irgendwie unschlüssig zu sein. Dann stößt er einen langgezogenen Schrei aus. Dabei klopft er mit seinem Bumerang an einen Baumstamm. Ein zweiter Eingeborener steht plötzlich vor uns. Er ist viel älter als der erste. Sein Bart ist grau- auch das Kopfhaar, das ihm bis auf die Schultern reicht. Mir ist ein bißchen unheimlich zumute, denn der Mann kam völlig lautlos - kein Schritt war zu hören, kein Zweig knackte! Der Alte trägt eine schmale Schnur aus Menschenhaar um seine Lenden. Auch die Halskette, an der ein Känguruhknochen hängt, ist aus Haar. Sein Körper ist über und über mit Ziernarben bedeckt. Der Jüngere redet lebhaft und mit vielen Handbewegungen auf den Alten ein. Der sagt kein Wort, schaut nur ab und zu Vater Werneburg, Klaus und mich an. Dann senkt er plötzlich den Kopf und beginnt zu reden, schnell und ohne Pause - es klingt wie ein Platzregen auf einem Wellblechdach. Eine kurze energische Handbewegung des Älteren, die beiden Eingeborenen stehen auf - und blitzschnell sind sie seitlich im Busch verschwunden. Vater Werneburg lacht, als er unsere verdutzten Gesichter sieht. "Ihr habt Glück. Wenn alles klappt, könnt ihr ein paar Tage lang an einer ,Korrobori' teilnehmen, einem Fest der Eingeborenen. Ganz selten hat ein Weißer Gelegenheit, bei einem wilden Stamm so eine Korrobori, bei der es toll hergeht, mitzumachen. Die Eingeborenen sind nette und umgängliche Leute, wenn man sie gut behandelt und ihre Sitten achtet. Aber alles, was mit ihrer Religion und ihrem Zauber zu tun hat - und dazu gehört auch die Korrobori -, halten sie streng geheim. Deshalb wissen wir Weißen auch so wenig davon." In zwei Tagen sollen wir morgens wieder hier an dem Wasserloch sein. Der Alte will noch mit den anderen Hordenältesten beraten - und wenn wir kommen können, dann wird uns ein Bote erwarten.

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Eingeborenenlager

Spät am Nachmittag sehen wir plötzlich in der Sandwüste vor uns das Lager der Eingeborenen. Unter einer Eukalyptusbaumgruppe an einem Wasserloch haben sie ihr Lager aufgeschlagen. Hinter den Windschirmen aus Zweigen und Baumrinden sitzen die Ältesten der Horde. Neben dem Feuer liegen einige Schlangen und eine Beutelratte. Hoffentlich laden uns die Eingeborenen nicht zum Essen ein! 

Eingeborenenlager

Die unzivilisierten Eingeborenen leben als Nomaden ohne festen Wohnsitz in Horden von 25 bis 2oo Menschen. Durch Windschirme aus Baumrinde und Laub schützen sie sich vor der Witterung. Nur im tropischen Norden bauen die Eingeborenen richtige Hütten.

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"Ich habe dem jüngeren der beiden Eingeborenen vor ein paar Monaten einmal geholfen", erzählt Vater Werneburg. "Er hatte sich das Bein gebrochen und lag - es war etwa 50 Meilen von hier - mitten in der Steinwüste, unter einem Salzbusch, weit weg vom nächsten Wasserloch. Der arme Kerl hatte seit zwei Tagen keinen Tropfen getrunken. Ich schiente ihm das Bein. Zum Glück hatte ich ein Pferd zum Wechseln bei mir und band ihn darauf fest - denn reiten konnte er nicht. Das Lager der Horde war eine halbe Tagereise entfernt. Er beschrieb es mir, und ich brachte ihn dahin. Nach Sunny Lake wollte er nicht. In ihrem Lager lernte ich dann auch den Alten - einer ihrer Stammesältesten - kennen. Wenn sie euch erlauben, die Korrobori mitzumachen, dann habt ihr einen hübsch langen Ritt vor euch!"

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Korrobori - die Eingeborenen vertrauen uns

Es ist soweit! Mit viel Proviant und zwei Ersatzpferden brechen wir gegen Mitternacht auf. Bei Morgengrauen - es ist empfindlich kühl! - erreichen wir das Wasserloch. Säße ich nicht im Sattel, dann würde ich einen Luftsprung machen - denn unter dem blaugrünen Eukalyptusbaum mit dem fahlgelben Stamm steht unser schwarzer Freund. Klaus lacht mir zu: "Dann kann das Abenteuer ja beginnen!" Allmählich wird es Tag. Wir scheuchen zwei Emus - große, straußenähnliche Vögel - auf, die flügelschlagend im Busch verschwinden. Nach gut zwei Stunden machen wir eine kurze Rast. Mit Zeichen und Gebärden können wir uns schon recht gut mit unserem Führer verständigen. Aber vom Reiten will er nichts wissen; denn natürlich haben wir ihm sofort eines von unseren Ersatzpferden angeboten. Er läuft lieber im Trab vor unseren Pferden her. Zur Feier des Tages hat er sich einen handlangen, runden Holzstab durch die Nase gesteckt. Als ein paar Vögel vor uns aufflattern - ich kenne sie nicht -, wirft der Eingeborene seinen Bumerang nach ihnen, das gebogene Wurfholz der Australneger.

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Aber er verfehlt den großen, graubraunen Vogel, und mit einem surrenden Geräusch kommt der schwere Bumerang nach einer langen Schleife zurück. Geschickt wird er aufgefangen. Ich habe auch einmal einen Bumerang geworfen. Er kam auch zurück. Aber als ich das sich blitzschnell herum wirbelnde Holz auffangen wollte, habe ich mir gehörig die Hand verstaucht. Es ist fast Mittag. Ich schaue nach einem schattigen Rastplatz aus. Aber nirgends ist ein Baum zu entdecken, nur Steine, Sand und hier und da Grasbüschel. Nurmi hält an und gibt uns ein Zeichen, auch zu warten. Wir haben unseren Führer Nurmi getauft- erstens, weil er so schnell und ausdauernd läuft, daß wir meistens im Trab reiten können, und zweitens, weil wir seinen Namen nicht aussprechen können. Er kniet nieder und schaut sich anscheinend irgendwelche Spuren an. Vorsichtig schleicht er dann im Geröll nach rechts. Plötzlich springt er auf und schleudert blitzschnell seinen Bumerang - und erst jetzt sehen wir eine flüchtende Känguruhherde. In großen Sprüngen hetzen die Tiere davon und verschwinden in einer Senkung. Und da kommt auch schon Nurmi strahlend mit einem kleinen Känguruh auf dem Rücken. Jetzt gibt's Mittagessen! Unter einem überhängenden Felsen finden wir sogar einen schattigen Lagerplatz. Kunstgerecht zieht Nurmi das Tier ab und zerlegt es mit] einem Messer, dessen Klinge aus einer angespitzten Flaschenscherbe besteht. Über einem schnell angelegten Feuer wird das Fleisch gebraten. Es schmeckt nicht übel - wenn auch ein bißchen! fade und trocken. Nach einem tüchtigen Schluck Wasser - auch Nurmi hat Wasser in einem kleinen Fellsack bei sich - geht es weiter. Es ist erstaunlich, wie ausdauernd der Eingeborene läuft. Wir sind doch - mit kleinen Pausen - nun schon seit dem Morgengrauen unterwegs, und noch immer zeigt er keine Müdigkeit. Dafür sind Klaus und ich aber hundemüde. Wir hängen in den Sätteln wie Mehlsäcke. Die Hitze ist hier aber auch unerträglich.

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Wir werden zu Schlangenbraten eingeladen

Spät am Nachmittag sehen wir plötzlich in der Sandwüste vor uns Eingeborene. Sie kommen uns entgegen. Die Begrüßung ist! sehr feierlich und dauert endlos lange. - Die Burschen sehen toll aus. Den ganzen Körper haben sie sich mit Blutstreifen bemalt, die von der Brust bis zu den Knien laufen. Und auf die dunkelroten Streifen haben sie weiße Daunenfedern geklebt. Auch das ganze Gesicht ist mit den blutigen Daunen beklebt, nur der schwarze Bart und die blitzenden Augen sind frei. Unter einer Eukalyptusbaumgruppe an einem Wasserloch haben sie ihr Lager aufgeschlagen. Hinter den Windschirmen aus Zweigen und Baumrinde sitzen die Ältesten der Horde. Noch einmal werden wir begrüßt. "Hoffentlich laden sie uns nicht zum Essen ein!", flüstert Klausi mir mit einem ängstlichen Blick auf die Schlangen und Beutelratten zu, die am Feuer liegen.

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Eingeborene auf der Jagd mit dem Bumerang

Als ein paar Vögel vor uns aufflattern, wirft der Eingeborene seinen Bumerang nach ihnen, das gebogene Wurfholz der Australneger. Aber er verfehlt den großen, graubraunen Vogel, und mit einem surrenden Geräusch kommt der schwere Bumerang nach einer langen Schleife zurück.

Eingeborene auf der Jagd mit dem Bumerang

Für den Europäer sind Australneger und Bumerang unzertrennbare Begriffe. Weniger bekannt ist, daß auch die Inder und die Mokiindianer Arizonas dieses Schleuderholz, das zum Werfenden zurückkehrt, kannten.

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Aber da hält man uns schon ein Stück gebratenes Schlangenfleisch hin. Klaus sieht mich seltsam an, als er mit Todesverachtung hineinbeißt. Gott sei Dank beginnt jetzt die Korrobori, so daß wir um die Erdwürmer und Insekteneier, die man uns noch zugedacht hat, herumkommen. Ein Emutanz soll die guten Geister freundlich stimmen, damit sie mehr Emus in das Jagdgebiet der Eingeborenen senden. Jeder Tanz ist ein Sinnbild für wichtige Ereignisse im Leben der Eingeborenen. Es gibt Tänze, die Regen bringen sollen oder Glück bei der Känguruhjagd. Andere sollen Tod und Krankheit abwenden. Von einem anderen Tanz erhofft man sich Hilfe der Geister bei Rachezügen gegen Feinde. Die Emutänzer tragen einen seltsamen rotweißen Kopfputz, der aussieht wie eine lange Tüte mit einem Quast daran. Um die Knöchel haben sie sich Büschel von Eukalyptusblättern gebunden, die bei jedem Schritt rascheln. Ein alter Mann, dessen ganzer Oberkörper mit Blutfedern beklebt ist, führt die Tänzer an. Mit beiden Füßen stampft er den Boden, dreht sich langsam herum und schwingt dabei seinen langen Speer. Die anderen Männer folgen genau seinen Bewegungen.

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Jeder hält einen Zauberstab zwischen beiden Händen. Die Bewegungen werden immer heftiger, immer schneller. Die Männer und Frauen, die um die Tänzer herum am Boden hocken, singen. Es klingt wie ein heiseres Bellen! Einige bärtige Alte schlagen mit ihren Bumerangs den Takt. Ein wildes, farbenprächtiges Bild! Klaus, der ein wenig vor mir sitzt, ist ganz aufgeregt. Seine Wangen glühen - der Schweiß rinnt ihm über Gesicht und Nacken, als tanze er selbst Korrobori - weit weg von aller Zivilisation! Neue Tänzer springen in die Mitte des Kreises! Sie haben ihre Gesichter weiß gekalkt und auch wieder die blutigen Federstreifen am Körper.

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Beim flackernden Feuerschein sehen sie aus wie tanzende Gerippe! Als wir spät in der Nacht zur Ruhe gehen, träume ich noch lange von den wilden, weißen Gesichtern, den blutigen Federn und dem Gehämmer der Bumerangs. Am nächsten Tag geht die Korrobori weiter. Aber heute ist anscheinend etwas ganz Besonderes los! Abseits vom Lager, in einer flachen Sandmulde, wird aus dicken Ästen ein mächtiges Feuer entzündet. Als es lichterloh brennt, decken einige alte Männer ein paar frische, belaubte Zweige darüber. Ein dicker, blauschwarzer Rauch steigt auf. Und dann - Klaus faßt mich erschreckt an die Schulter! - springen vier, fünf Jungen in die Glut, wälzen sich zwischen den aufzüngelnden Flammen und dem beißenden Rauch - mit schmerzverzerrten Gesichtern! "Sind die verrückt geworden?" stößt Klaus zwischen den Zähnen hervor. Auch ich habe eine Gänsehaut bekommen. Vater hat mir früher schon in Green Gate von der Feuerprobe erzählt. Bevor die Eingeborenenjünglinge in die Gruppe der Männer aufgenommen werden, müssen sie eine Reihe von Prüfungen durchmachen. Und die Feuerprobe ist die letzte und schwerste!

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Emutänzer

Die Emutänzer tragen einen seltsamen, rotweißen Kopfputz, der aussieht wie eine Tüte. Um die Knöchel haben sie sich Büschel von Eukalyptusblättern gebunden, die bei jedem Schritt rascheln. Mit beiden Füßen stampfen sie die Erde, drehen sich herum und schwingen dabei ihre langen Speere. Es ist unheimlich - dieser Tanz bei flackerndem Feuerschein und dazu das heisere Singen der Männer und Frauen, die um die Tänzer herumhocken.

Emutänzer

Die Tänze der Eingeborenen Australiens sind selten Selbstzweck, aus der Freude an Spiel und Rhythmus geboren, sondern sie wurzeln in dem symbolhaften Denken dieses 'Naturvolkes. Der Ablauf der Tänze vollzieht sich nach einem strengen Zeremoniell, das von Generation zu Generation überliefert wird.

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Feuerprobe für die Eingeborenenjünglinge

Viele, zum Teil sehr schwere Mutproben muß der Jüngling ablegen, bevor er in die Gruppe der Männer aufgenommen wird. - Grauenerfüllt wenden wir uns ab, als wir miterleben, wie sich die jungen Männer der letzten Prüfung unterziehen, der Feuerprobe. Dabei springen sie in ein flackerndes Feuer und wälzen sich in den Flammen und dem beißenden Rauch mit schmerzverzerrten Gesichtern.

Feuerprobe für die Eingeborenenjünglinge

Bevor die Jünglinge in die Gruppe der Männer aufgenommen werden, müssen sie eine Reihe von Mutproben ablegen. Die Feuerprobe - von der verschiedene Formen bekannt sind - ist eine der letzten.

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Das Fest dauert noch zwei Tage. Immer wieder Tänze, seltsame, geheimnisvolle Beschwörungen und harte Mutproben für die schwarzen Jünglinge! Vormittags gehen die Männer auf Jagd, um Opossums, Schlangen oder einen Beuteldachs zu erlegen. Die Frauen ziehen mit langen Grabstöcken los, um die "Speisekammer" mit Erdwürmern, eßbaren Wurzeln und Insekteneiern aufzufüllen - ganz besondere Leckerbissen bei den Eingeborenen! Früher hat man sich auch schon einmal gegenseitig aufgefressen. Meistens mußten die im Kampf getöteten Feinde daran glauben; aber auch gestorbene Stammesangehörige wurden verzehrt. Die ersten Weißen, die mit den Eingeborenen in Berührung kamen - Seeleute, deren Schiff an der Küste strandete; Forscher, die gefährliche Expeditionen in das Innere des Landes unternahmen; Ansiedler, die ihr Vieh in die Jagdgründe der Eingeborenen trieben - berichteten häufig über Zusammenstöße mit menschenfressenden Wilden. Häufig machte der Hunger die Schwarzen zu Kannibalen. Wenn eine Dürre über das Land hereinbrach - es gibt Gebiete in Australien, in denen es 7 Jahre und länger nicht regnet! -, dann verschwanden die Tiere und Wurzeln. Vielleicht glaubten die Eingeborenen auch, die Klugheit und die Stärke des Toten zu gewinnen, wenn sie ihn - auffraßen! Geheimnisvoll und für uns unerklärlich ist vieles im Leben der schwarzen Ureinwohner Australiens - manches erscheint grausam und primitiv und manches klug und zweckmäßig. Denn dumm sind die Australneger nicht! Schließlich verdanken wir ihnen die Kenntnis von der Heilkraft des Eukalyptusöls, das aus den Blättern des Eukalyptusbaumes - die Eingeborenen nennen ihn Gummibaum - gewonnen wird. In meiner Klasse hatte ich ein paar schwarze Mitschüler, deren Eltern das Nomadenleben aufgegeben hatten und auf einer Station arbeiteten. Und wenn ich deren Mathematikzensuren mit meinen eigenen vergleiche, dann ... aber davon wollte ich ja gar nicht schreiben! Ich bin jedenfalls sehr froh, daß wir wieder in Sunny Lake sind; denn Beefsteak bleibt Beefsteak!