Aus dem Sanella-Album China Tibet Japan

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Seite 58

Tom in einem kleinen Gedenkpark tatsächlich den Erinnerungsstein für Engelbert Kämpfer. Das Explosionszentrum der Atombombe liegt dreieinhalb Kilometer vom Hafen entfernt in einem Seitental des Urakamiflusses. Pulsendes Leben erfüllt auch diesen Stadtteil wieder. Nagasaki hat seine frühere Einwohnerzahl von 250 000 fast wieder erreicht, obgleich die Atombombe 73 000 Todesopfer forderte und viele Überlebende zunächst das Weite gesucht hatten. Als Bewohner eines oft von Erdbeben heimgesuchten Landes haben die Japaner uralte Erfahrungen darin, zerstörte Städte aus Asche und Trümmern neu erstehen zu lassen. Ihre Häuser werden vornehmlich aus Holz gebaut, fast die Hälfte des bergigen Landes ist mit nutzbarem Wald bedeckt. An der Stelle, wo die Atombombe in einer Höhe von 450 Metern über den Häusern explodierte, steht jetzt ein Denkmal. Daneben sind Läden, in denen Atombombenerinnerungen verkauft werden, vor allem Ziegelsteine, die bei der Explosion verglast sind.

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Wo kann man bequemer und billiger reisen ?

Eine Stunde, nachdem Tom seinen Fuß zum erstenmal auf japanischen Boden gesetzt hat, ist ihm bereits aufgegangen, daß Japan ein ideales Reiseland ist. Die Japaner sind freundlich und zuvorkommend, viele sprechen Englisch, und die Verkehrsmittel sind zahlreich und modern wie in den meisten westeuropäischen Ländern. Gleich am Pier liegt ein Bahnhof. Dort sind auch Haltestellen für Straßenbahn=, Autobus= und Motorbootlinien. An großen, sauberen Anschlagtafeln sind nicht nur die Fahrpläne und Fahrpreise aufgemalt, sondern auch bunte Landkarten von seltener Übersichtlichkeit. Noch in keinem der vielen Häfen, die Tom auf seiner Weltreise besuchte, hat er solche Reiseerleichterungen gefunden. Von Nagasaki nach Obama, dem Städtchen am Fuße des Uzendake, gibt es nicht weniger als drei Reisemöglichkeiten: mit dem Zug, mit einem Autobus oder mit einem Motorschiff. Die zweistündige Zugfahrt kostet 216 Yen (etwa 2,40 DM), die Autobusfahrt von zweieinhalb Stunden 306 Yen (etwa 3,40 DM) und die dreistündige Fahrt mit dem Motorschiff 540 Yen (rund 6 DM). Tom wählt die Autobusfahrt. Aus der Übersichtskarte ersieht er, daß die Autostraße fast immer an der Küste der Tschijiwabucht entlangläuft. Da gibt es am meisten zu sehen. Die Küstensäume sind die Lebenslinie des japanischen Volkes. Auf den Reisfeldern wächst ihr tägliches "Brot", und das Meer gibt ihnen die Zukost. Fisch ist die wichtigste tierische Nahrung der Japaner, und das "Grünzeug" des Meeres, Seetang und Seealgen, ersetzt vielfach das Gemüse.

Ein Kimono ist kein Ischang

In dem Autobus Richtung Obama ist der Platz ganz vorne, neben dem Chauffeur, glücklicherweise noch frei. Mit schneeweißen Handschuhen angetan, steuert der Japaner den alten Fordwagen sicher über die kurven= und tunnelreiche Küstenstraße. Die junge Schaffnerin trägt ein blaues Uniformkleid mit weißem Kragen und auf ihrem pechschwarzen Haar eine rote Kappe. Noch nie ist Tom einer so freundlichen und hilfsbereiten Schaffnerin begegnet. Bei jeder Haltestelle springt sie heraus und hilft den Fahrgästen beim Aus= und Einsteigen. Die meisten Männer, Frauen und Kinder tragen einen Kimono, das japanische Nationalgewand. Es hat keinen Kragen wie der chinesische Ischang, sondern läßt den Hals bis unter die Kehle frei. Die Ärmel der Kimonos sind bei Männern und Frauen viel weiter als die des Ischang. Bei den Frauenkimonos weiten sie sich zu tief herabhängenden Ärmeltaschen, in denen Geldbörse, Fächer und Einkaufstuch verborgen werden können. Taschentücher kennen die Japaner nicht. Sie halten es für sehr unappetitlich, die Aussonderungen der Nase mit sich herumzutragen. Zum Naseputzen gebrauchen sie kleine Stückchen von Seidenpapier, die nach einmaliger Benutzung fortgeworfen werden. Keinen einzigen Knopf gibt es an den Kimonos. Die Männer halten ihn mit einer Art Schal zusammen, der in Hüfthöhe um den Leib gewunden ist. Die Frauen tragen über dem Kimono ein breites Mieder, den sogenannten Obi. Das ist ein farbenprächtiges, etwa vier Meter langes Tuch aus fester Seide, das auf dem Rücken oft zu einer kunstvollen Schleife geformt wird. Obi und Schleife werden von einem weiteren, fingerbreiten Obiband festgehalten. Da der enggeschürzte und bis auf die Enkel herabreichende Frauenkimono die Bewegungen der Beine stark behindert, nahmen die meisten ein= und aussteigenden Frauen die Hilfe der Schaffnerin in Anspruch. Höflich verbeugen sich Fahrgäste und Schaffnerin voreinander. Höflichkeit ist in jedem Falle ein höheres Gebot als Geschwindigkeit. Das gilt auch für die Fahrer. Wenn die Straße für eine Begegnung von zwei Fahrzeugen zu eng ist, steigen beide Fahrer aus und verabreden unter vielen Verbeugungen, welcher Wagen bis zu einer Ausweichstelle zurückfahren soll. An den Füßen tragen die meisten Japaner Getas, Holzsandalen, die mit y=förmigen Bändern an den Füßen festgehalten werden. Da das Band zwischen der großen und zweiten Zehe hindurchläuft, muß auch der japanische "Strumpf" einen Einschnitt haben. Er ist eine Art "Fausthandschuh", meist aus weißem Leinen geschneidert. Auf schmutzigen Straßen gehen Männer, Frauen und Kinder barfuß auf besonderen Regen=Getas, die unterwärts zwei hölzerne Querleisten haben. Im Bus hocken die älteren Männer und Frauen im Schneidersitz auf ihren Plätzen. Die Getas bleiben dabei natürlich auf dem Fußboden. An der Küstenstraße reiht sich ein Reisbauern= und Fischerort an den anderen. Zur Ebbezeit liegen viele Fischerboote auf dem trockenen Strand, auf dem das Meer Haufen mit rötlich=braunem Tang angeschwemmt hat. Netze und Wäsche sind dort zum Trocknen aufgehängt. Die hölzernen, mit Ziegeln oder Blech gedeckten Häuser sind oft zweistöckig. Über die Dächer hinaus ragen sturmzerzauste Kiefern und - weniger schön - die hohen Masten der Telefon= und Lichtleitungen. Jedes Dorf und jedes Haus hat Anschluß an ein Elektrizitätswerk. "Wieviel anders als in China", denkt Tom, "in China müßte Vater noch Hunderte von Turbinen verkaufen, bevor alle chinesischen Bauern und Fischer elektrisches Licht haben können." Japan mit seinen vielen Bergen und Wasserfällen ist das einzige Land Asiens, das elektrischen Strom auch in die kleinste Bauernhütte liefert. Den Bauern und Fischern scheint es nicht schlecht zu gehen. Vor jedem größeren Ort steigen zahlreiche Landleute ein, um in die Stadt zu fahren. Aus jedem Städtchen fahren sie hinaus aufs Dorf zurück. Die Märzsonne ist schon so warm, daß einige Frauen ihre bunten Fächer entfaltet haben.

Das Wunder der Kirschblüte

Wie ein Ort an der Riviera liegt das Fischerstädchen Tschijiwa am Südhang einer Bergkette, die jeden kalten Nordwind abhält. Hier erlebte Tom zum erstenmal das Wunder der japanischen Kirschblüte. Seewärts, unter alten, dunklen Kiefern und vor einem blendenden

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