Aus dem Sanella-Album China Tibet Japan

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Als China Republik wurde und der Mandschukaiser in Peking stürzte, brannten die Revolutionäre in Nanking den Mandschupalast und das Mandschuviertel nieder. 1927 waren die Trümmer von 1862 und 1911 noch nicht restlos fortgeräumt. Da brachte der Kampf Tschiangkaischeks gegen die Nordgenerale neue Trümmer. Aber Tschiangkaischek siegte und machte Nanking wieder zur Hauptstadt Chinas. Sun Yatsen, der 1925 in Peking gestorben war, wurde hier 1927 mit großem Pomp beigesetzt. Sein Grabmal war das erste große Bauwerk des neuen Nanking. 1928 wurde der Bau der Sun=Yatsen=Straße begonnen, die von den Chinesen Tschung=Schan=Straße genannt wird. Denn die Ostasiaten geben ihren Kaisern und Staatsmännern nach dem Tode andere Namen. Tschung Schan heißt ,mittlerer Berg'. Das ist ein hoher Ehrenname für Dr. Sun, dessen Familienname ,Enkel' bedeutet. An der Tschung=Schan=Straße wurden dann zwischen 1928 und 1937 alle die großen Gebäude errichtet, die Tom heute gesehen hat, das Hauptpostamt, das Eisenbahn= und das Verkehrsministerium, das Auswärtige Amt, das Hospital und andere, teilweise im alten chinesischen Tempelstil, teilweise modern amerikanisch wie dieses Hotel. Dann brach wieder der Krieg aus. Im Dezember 1937 wurde Nanking von den Japanern erobert und schwer mitgenommen. Tschiangkaischek entfloh mit seiner Regierung nach Tschungking. Im August 1945, nach dem Zusammenbruch Japans, zog die Tschiangkaischekregierung wieder in Nanking ein. Aber nur kurze Zeit. Vier Jahre später mußte sie den Truppen Mao Tse=tungs weichen. Mao machte Peking wieder zur Hauptstadt des Reiches, und Nanking ist in Gefahr, erneut zu einer Provinzstadt abzusinken. Es ist ein ewiges Auf und Ab in dieser Stadt, die schon 722 v. Chr., ein Menschenalter vor Rom, gegründet wurde."

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Sun Yatsens Grabmal

An einem der nächsten Tage fährt Tom mit Herrn Lebetanz zum Grabmal Sun Yatsens hinaus. Gleich außerhalb des Tschung=Schan=Tores sehen sie die gewaltigen Anlagen vor sich liegen, obgleich der Weg dahin noch fast fünf Kilometer lang ist. Hell heben sich das Mausoleum mit dem geschwungenen Dach, betonierte Terrassen und Böschungen, riesige Freitreppen, Tore, Wege und der Ehrenbogen von dem hellen Grün gepflegter Rasen und den dunklen Kiefernpflanzungen der Umgebung ab. Eine Weihestätte des ganzen chinesischen Volkes ist diese Anlage. Herr Lebetanz stellt die Beisetzungsfeierlichkeiten so eindrucksvoll dar, daß Tom glauben kann, er wäre selber dabeigewesen. Vor dem Ehrenbogen am Eingang sitzen sie eine Weile auf einer Ruhebank. Hier wurde der Sarg, der mit einem über und überbekränzten Schiff nach Nanking gebracht worden war, aus einem weißgeschmückten Leichenauto in eine Leichensänfte übernommen. Sie hatte ein silbernes Dach; auf beiden Seiten prangte die weiße Sonne der chinesischen Revolutionsfahne auf blauem Seidentuch. Vierundsechzig in Blau und Weiß gekleidete Träger hoben die Tragstangen auf ihre Schultern und trugen den Toten den Ehrenweg entlang und die Stufen empor.

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In den Anlagen rechts und links standen Zehntausende von Menschen. Musikkapellen und Militär in Weiß marschierten auf. Abordnungen ausländischer Diplomaten, fremder Heeres= und Marinekräfte folgten. Sun Yatsens Gefolgsmänner von der Kuomintangpartei trugen über weißen Trauerischangs schwarze Jacken mit weißen Trauerabzeichen und flache weiße Strohhüte. Die Sonne brannte an jenem Tage ebenso heiß wie heute. Langsamen Schrittes ist auch Tom mit seinem Begleiter die Stufen bis zum Mausoleum emporgestiegen. Wie die anwesenden Chinesen verneigen sie sich vor der Ruhestätte des großen Toten.

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