Aus dem Sanella-Album China Tibet Japan

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- "Die Rückkehr eines Sohnes ist ein Fest wie die " Geburt eines Sohnes", sagt Onkel Wang. Er legt Tom, der neben ihm sitzen darf, die schönsten Leckerbissen in die Reisschale. Das gilt in China als eine besondere Ehrung. Jedes Familienmitglied hat am Tisch seinen festen Platz, rechts vom Onkel die Söhne dem Alter nach, links von ihm Frau und Töchter. Die Küchenhilfe, die den Reis nachfüllt, sitzt nicht mit am Tisch. Der Koch selbst erscheint nur einmal im Speisezimmer. Auf einer großen Schüssel trägt er ein am Spieß gebratenes ganzes Spanferkel herein. Das Fleisch ist so zart, daß jeder mit den Stäbchen Stücke herauspicken kann. Zwischendurch wird erzählt. Die Mädchen schaudern, als Wang von dem nächtlichen Überfall und von der nächtlichen Sänftenreise berichtet. Als Beamter der Provinzregierung ist Onkel Wang sehr stolz auf die Veränderungen, die Kanton in den letzten dreißig Jahren durchgemacht hat. "Wir haben jetzt breitere und prächtigere Straßen als Hongkong. Als ich so alt war wie Tom und Wang, waren alle Straßen in Kanton noch so eng, daß es außer Fußverkehr nur Sänften= und Trägerverkehr gab, auch eine Einradschiebkarre, aber keine Wagen. Als ich 1919 Beamter wurde, gab es in Kanton nur sechs Kilometer befahrbarer Straßen, heute sind es viele hundert Kilometer. Mit modernen Autobussen könnt ihr schnell und billig in alle Teile der Stadt fahren."

Dr. Sun Yatsen, der "Vater der chinesischen Revolution"

Den Anstoß zur Modernisierung gab Dr. Sun Yatsen, der in der ganzen Welt als "Vater der chinesischen Revolution" bekannt ist. Er wurde 1866 in der Nähe von Kanton geboren. Solange China ein Kaiserreich war, verbrachte er viele Jahre im Ausland. 1911 wurde er zum ersten Präsidenten der Republik China gewählt.

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Tom hat sein Bild sicher auf chinesischen Briefmarken gesehen. Dr. Sun ist 1925 - leider ohne seine Pläne verwirklicht zu haben - gestorben. Ihm zu Ehren haben wir in Kanton die Sun=Yatsen=Gedächtnishalle gebaut, in der zehntausend Menschen Platz finden. Montag morgen müßt ihr dahin gehen. Jeden Montagmorgen ist eine Gedächtnisfeier, bei der Dr. Suns Vermächtnis an das chinesische Volk verlesen wird: China, sei einig! China, sei stark! China, modernisiere dich! Nach dem Essen spielt die Familie Mah=Jongg, ein Kartenspiel mit 132 Karten. Aber die "Karten" braucht man nicht in der Hand zu halten, man stellt sie vor sich auf den Tisch. Sie haben die Größe von Dominosteinen und bestehen aus Elfenbein. Am schönsten findet Tom das Mischen der Steine. Dabei werden sie mitten auf dem Tisch von 8 Händen durcheinander gemischt. Das gibt ein lustiges Geklapper. Als Tom ein heißes Bad genommen hat, ist die Familie in der Ahnenhalle versammelt. Vater Wang schlägt einen Gong, dann zündet jedes Familienmitglied ein Bündel Räucherkerzen an und steckt es in das bronzene Räuchergefäß, das vor dem Altar steht.

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Flug zu den Zuckerhutbergen?

Tom und Wang sind in dem Gastzimmer links am Innenhof untergebracht. Großartig sind die vielen auf Seide gemalten Bilder, die an den Wänden hängen. Nicht wie unsere gerahmten Bilder - jahraus, jahrein an derselben Stelle. Chinesische Rollbilder werden oft ausgewechselt, im Frühling und Sommer, Herbst und Winter, bei Freude und Leid, Fest und Feier. Ein hölzerner Rollstab in der unteren Kante der Seidenbahn strafft die Bilder, wenn sie hängen. Um die Rolle kann das Bild schnell und ohne Schaden zu nehmen aufgerollt werden, wenn es im Schrank aufbewahrt werden soll. Wangs Onkel hat besonders Landschaftsbilder aus allen Teilen Chinas gesammelt. Da hängen Bilder mit Bambuswäldern und Apfelsinenbäumen aus dem Süden und Landschaften mit Kiefern und Schnee aus dem Norden. Merkwürdig ist die Art, wie chinesische Maler Wellen und Wolken, Tiere und Menschen, Geister und Götter darstellen.- Was Tom am meisten auffällt, ist die Form, die die Berge auf vielen Bildern haben.

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