Aus dem Sanella-Album China Tibet Japan

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Dampferverbindung gibt es nicht. Bestimmt auch keine Eisenbahnverbindung. In ganz China gibt es ja nur ein paar große Eisenbahnlinien. Die kann jeder chinesische Junge aus dem Kopf hersagen. Kaulun-Kanton, Kanton-Hankau, Hankau-Peking, Tientsin-Nanking, Nanking-Schanghai, die Lunghaibahn - Wenn sie in irgendeinem Küstenort der Biasbucht gebracht werden, müssen sie mindestens 250 Li (125 km) von irgendeiner Station der Kaulun-Kantonbahn entfernt sein. Auch von Autostraßen in diesem Teil der Kwangtungprovinz hat Wang nie etwas gehört. Er sieht die Karte seiner Heimatprovinz vor sich, wie sie damals vor ihnen hing, als er noch in Kanton in eine chinesische Schule ging. An der Küste zieht sich eine Bergkette entlang. Kailungschan, das heißt das Drachentorgebirge! Es wird in vielen Geschichten genannt. Von dort kommen die Bergräuber, die die kantonesischen Reisdschunken auf dem Ostfluß überfallen. Auch Tom denkt an die Weiterreise nach Schanghai. Ihm ist es klar, daß das Seeräuberboot sie nicht nach Hongkong zurückbringen wird, damit sie dort einen andern Dampfer nach Schanghai besteigen können. "Können wir nicht auch mit der Eisenbahn bis Freitag in Schanghai sein?" fragt er, "vorausgesetzt, daß diese Herren uns nicht länger als einen Tag festhalten .. ." Wang muß lachen, obgleich er keineswegs in freudiger Stimmung ist. "Nein, Tom, du hast von den Verkehrsverhältnissen und der Weite Chinas noch keine rechte Vorstellung. Die Provinz Kwangtung allein ist ungefähr so groß wie Deutschland, sie hat 40 Millionen Einwohner, aber nicht mehr als 400 Kilometer Eisenbahnen. Die Bahnfahrt nach Schanghai, über 1500 Kilometer durch fünf Provinzen, dauert mindestens 72 Stunden. Das ist schon mehr als die planmäßige Fahrzeit der "Suiwo".

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Bis wir aber eine Bahnstation erreichen, werden mindestens drei weitere Tage vergehen. Auf schmalen Bergpfaden werden wir über 100 Kilometer zu Fuß gehen müssen. Denn unser Geld wird für eine Sänfte kaum reichen. .." "Eine Sänfte? So etwas hat es in Deutschland im Mittelalter gegeben." - "In China ist sie noch heute allenthalben in Gebrauch. Die Bergpfade und die Wege zwischen den Reisfeldern sind so schmal, daß keine Wagen darauf fahren können. Wer es sich leisten kann, nimmt eine Sänfte mit zwei oder vier Trägern. Sie laufen bis zu fünfzig Kilometer am Tag. - "Merkwürdiges Land", denkt Tom. Seine Neugier, es kennenzulernen, ist größer als die Furcht vor dem Ungewissen.

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